Tête-à-tête mit dem Kaiser (3)
Napoleon und die Franzosen im Rheinland Dann aber, ab 1801, das Jahr, in dem die Linksrheinischen französische Staatsbürger wurden, war der Fisch gegessen und Karneval wieder erlaubt.
Und der Franzose hat den Rheinländer, vor allem aber den Kölschen, bei seinem Sinn für Eleganz, Weltläufigkeit und Charme gepackt – ja ich weiß, das sind nicht wirklich Qualitäten, die man mit dem Kölschen an sich verbindet, aber die Franzosen haben eben so getan als ob es so wäre, das war der Hit!
Straßennamen zum Beispiel. Das war nämlich so: genau so wenig, wie die Rheinländer französisch konnten, als dä Franzus do wor, war der des Deutschen mächtig. Also mußte man gucken, wie man sich orientieren konnte. Da war es natürlich schon hilfreich, die Straßennamen z.B. zu übersetzen. Was sich allerdings als extrem schwierig herausstellte – Mikrotoponomastik nennen das die Philologen und meinen damit die Typologie der Flurnamen.
Da haben sich die Franzosen vor und unter Napoleon wirklich einen abgebrochen und sind dennoch freundlich vorgegangen. Bei vielen Namen war es kein Problem, da wurde schlicht übersetzt, hatte sich der Fall:
Schildergasse – Rue d’enseigne
Hahnestraße – Rue des coqs
Hohe Straße – Rue haute
Breite Straße – Rue large
Alter Markt – vieu marché
Glockengasse – Rue de cloche
Ich meine: dat klingt ja nach wat, oder?!!
Manchmal kamen sie ein bißchen in die Bredouille, bei Unter Sachsenhausen z.B. war zu überlegen, was soll das denn heißen: Sachsenhausen? Wäre das die Rue de habiter sous des Saxons? Nöö, mit Sachsen hat es ja nichts zu tun, Sachsenhausen kommt von sechzehn Häusern also haben die Franzosen völlig richtig übersetzt: Rue seize maisons.
Manchmal lagen sie daneben wie bei der Übersetzung von „In der Höhle“. Da wußten sie jetzt nicht genau, bedeutet das Hohlweg oder nicht. Weil aber direkt daneben eine Straße „Auf dem Himmelreich – Rue du paradis“ war, dachten sie an einen Schreibfehler und übersetzen „In der Höhle“ mit Hölle, also „Rue de l’enfer“, warum auch nicht.
Weil jeder französische Ort einen Freiheitsplatz braucht, haben sie geguckt, wo sie den denn unterbringen und haben kurzerhand den Neumarkt in place de la liberté übersetzt, ihn dann aber nach vier Jahren, warum weiß keine Sau, in Waffenplatz – place d’armes“ umzubenennen, vielleicht, weil da immer exerciert wurde.
Oft genug haben sie aber – und die Kölschen haben sich bestimmt dodrövver gefreut – die Namen einfach gelassen:
Rue Schildergasse
Rue Friesenstraße
Rue an den Steinfeldern
Rue Marcellen.
Manchmal haben sie ein „de“ vorgeschaltet
Rue de St. Apern
Und manchmal nur einen Akzent draufgehauen wie bei
Gereons Dreesch, wo sie zweimal auf Géréon den accent aigue geknallt haben, fertig ist die Laube.
Ferdinand Franz Wallraff hat sich da übrigens große Verdienste erworben: er war zuständig für die Hilfe bei der Namensgebung und hat in großer Kenntnis der Stadtgeschichte und in Loyalität zu den Franzosen versucht, den Kölnern über die Straßennamen ein Gefühl für ihre große Geschichte zu geben. Nur insgesamt siebenmal hat er den Franzosen nachgegeben und aktuelle Bezeichnungen erlaubt, z.B.
An den Augustinern wurde zu Place Napoléon
Markmannsgasse zu Rue Impériale
Entsprechend die Markmannsgassenpforte zu Porte Impérial
Die Gereonsstraße, wo das Kaiserpaar bei seinem Besuch 1811 in Köln logierte, wurde zu Ehren von Napoleons zweiter Frau in Rue Marie-Louise umbenannt
Und, weil Napoleon so stolz auf seinen Sohn war, den er schon mit zwei Jahren zum König von Rom ausrufen ließ – hat Wallraff vorgeschlagen (und durchgesetzt), daß „Unter Sachsenhausen“ nun in „Rue du Roi de Rome“ umbenannt wurde.
Darüber hinaus hat Wallraff alle Möglichkeiten genutzt, die römische Geschichte wieder aufleben zu lassen:
Aus Hinter St. Marien hat er Place Agrippa gemacht,
aus An St. Stephan Rue Trajan und aus
Hinter St. Martin Voie du Capitol.
Manches war ihm e bissje zu dreckelig, so machte er aus dem „Katzenbauch – quartier des Cattes/Cattenbug“ in Erinnerung an den Stamm der Chatten und aus dem „Hundsrücken“ das „Quartier des Huns (= Hönn) / Hunnenrücken“ und den gibt es immer noch!
Ein weiteres Feld war das Gesundheitswesen, da haben die Franzosen und der Empereur wirklich einschneidend durchgegriffen und da müssen wir auf das Jahr 1805 gehen:
Das war ein einschneidendes Jahr in der Geschichte der wunderbaren Stadt Köln in – mindestens - zweierleier Hinsicht:
am 21. Juni 1802 hatte man den Lutheranern die Antoniterkirche in der Schildergasse überlassen. Die haben erstmal drei Jahre umgebaut – vom normalen Glauben zum Protestanten, wat natürlich ein Haufen Arbeit ist: erstmal entweihräuchern, dann Heiligenbilder weg, Weihwasserbecken, Weihrauchfäßchen, Meßgewänder, alles eraus und Bäffchen rein und so weiter und so fort – dann aber, 1805, ist die Kirche in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde übergegangen, das waren zwar nur 800 Mann, aber immerhin, und am 19. Mai 1805 fand hier der erste evangelische Gottesdienst statt, ein Wort, an das sich ab da die Kölner erstmal gewöhnen mußten.
Das wollte ich aber nur am Rande sagen.
Das zweite, viel wichtigere Ereignis in diesem Jahr unter Oberbürgermeister Johann Jakob von Wittgenstein, den die Franzosen quasi übernommen haben, was nicht allen Kölner recht war, war, daß die säkularisierten Klöster St. Cäcilien und St. Michael in Krankenhäuser ‚umgewidmet’ wurden. Und das kam so:
Als die Franzosen im Oktober 1794 noh Kölle kohmen, haben sie sich nicht nur um Hausnummern gekümmert, sie haben z.B. auch gesehen, daß das Krankenhauswesen noch sehr traditionell strukturiert war, also seit dem Mittelalter hat sich da nicht mehr viel getan. Die Kirchen und die Ordensgemeinschaften kümmerten sich um die Kranken und Siechen und die städtischen Institutionen waren im Prinzip kleinere Häuser, in denen ein ziemliches Durcheinander von Alten, also eher armen Alten, Irren und dazwischen ein paar akut Kranken herrschte. Man war noch nicht dazu gekommen, da ein bißchen Ordnung ereinzubringen, von einer vernünftigen Kooperation aller städtischen, universitären, kirchlichen und privaten Einrichtungen mal janz zu schweigen.
Jetzt hat der Franzose natürlich direkt gesehen: Krankenhäuser braucht jede Stadt, auch Köln, aber er sah auch den Zustand dieser Häuser und wußte: dat koss Jeld! Also wollte er sich – ich meine: vorausschauend war er ja schon! – dat ganze Krankenhauswesen erst gar nicht ans Bein binden.
Er war grad am Säkularisieren wat dat Zeug hält, hat also einen Orden nach dem anderen in Köln aufgelöst, die Orden aber, die sich der Krankenpflege verschrieben haben, die hat er bestehen lassen. Nur: das wäre nur die halbe Miete gewesen, wenn man das mal unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis sieht, weil: da waren ja noch die Klöster, die man für diese Zwecke ja auch umbauen mußte, von den zu erwartenden laufenden Betriebskosten janz zu schweigen. Also hat er erstmal neue Strukturen geschaffen:
Er hat das Bureau bienfaisance und das Bureau des hospices geschaffen – die Armenverwaltung und die Verwaltung der Hospitäler. Übrigens schreibt der Brockhaus von 1833 unter dem Stichwort „Armenwesen“ einen bemerkenswerten Satz, gleich am Anfang: „Die Armuth ist die Mutter der Künste, aber auch ein Verderben der Staaten. Ein Staat, in dem es viele Arme gibt... kann darin den unumstößlichen Beweis sehen, daß seine Einrichtungen...fehlerhaft sind.“
Bemerkenswert vorausschauend, möchte ich mal sagen.
Die neue staatliche Armenverwaltung hat nun die ganzen Gelder der Säkularisierung bekommen – also dat, wat der Franzose davon übriggelassen hat - und obendrein bis 1821 die Einnahmen der Lustbarkeitssteuer, die alle Maskierten zu zahlen hatten, wenn sie denn maskiert durch Köln laufen wollten, das Pappnasengeld sozusagen. Also ganz erhebliche Einkünfte, was diese Institution unabhängig von der Stadt machte und den dort Tätigen das Gefühl gab, was Besseres zu sein. Das zeigten sie auch gleich bei der ersten großen Aktion:
Als nämlich am 30. Messidor des Jahres XIII also am 19. Juli 1805 Napoleon das Dekret erlassen hat, daß die Klöster St. Cäcilien und St Michael der Hospitalverwaltung zur Aufnahme erkrankter Bürger und Soldaten geschenkt werden, sind die Herren der Armenverwaltung und der Hospitalverwaltung zur Behörde nach Aachen gefahren, ohne dem OB von Wittgenstein auch nur ein einziges Wort davon zu sagen, haben sich da die Urkunde abgeholt und davon, als sie wieder zurück waren, den Oberbürgermeister mit einem Briefchen in Kenntnis gesetzt. Wie der sich darüber gefreut haben muß, kann man sich lebhaft vorstellen!
Neben weltlichen Pflegern waren da übrigens Augustinerinnen eingesetzt – man hat den weltlichen doch nicht so ganz über den Weg getraut und billiger waren die Nonnen auch! Das war nun das sogenannte alte Bürgerhospital, von dem, was wir heute unter Krankenhaus verstehen, allerdings immer noch meilenweit entfernt.
Zu klein, zu eng und zu durcheinander, das bringt es wohl auf den Nenner. Jetzt stand also das große Bürgerhospital, der Gesundheitspalast, mitten in Köln und füllte sich mit prallem Leben und Skandalen. Einer davon war das Essen. Das war so: es liefen ständig Beschwerden ein wegen zu schlechtem Essen und dann auch noch davon zu wenig. Ich meine: Klar! So ein Krankenhaus ist keine Aufpäppelanstalt oder gar ein Gourmet-Palast. Da hat die Stadt natürlich gespart wo’t irjend jeht, bis et nit mieh jing. Das heißt: die Zustände im Krankenhaus waren nicht gut, dienten aber dem Wohle der Stadt, sozusagen.
Der andere Stein des Anstoßes war: wenn man sich um die Volksgesundheit kümmert, muß man sich um alle kümmern: um die Trinker genau so wie um die Leprösen, um die Tuberkulösen genauso wie um die Syphilitiker, um die ledigen Mütter genauso wie um die Prostituierten.
Darüber möchten Sie als bildungshungrige Menschen sicher auch etwas erfahren, deshalb lade ich Sie ein, am kommenden Dienstag wieder diese Kolumne einzuschalten. Bis die Tage also!
In diesem Sinne Ihr
Konrad Beikircher
Redaktion: Frank Becker
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