„Setzen – nicht genügend!“

Die Feuerzangenbowle sehr frei nach Spoerl als Klamotte in einer Fassung der Burghofbühne Dinslaken

von Frank Becker

„Setzen – nicht genügend!“
 
Die Feuerzangenbowle sehr frei nach Spoerl als Klamotte
in einer Fassung der Burghofbühne Dinslaken
 
Der Prolog ließ befürchten, was die Inszenierung schließlich hielt: Heinrich Spoerls stimmungsvoller Schüler-Roman „Die Feuerzangenbowle“, der im vergangenen Jahr seinen 75. „Geburtstag“ feierte, wurde in der Inszenierung von Kai Festersen zur albernen Klamotte degradiert. Vier lächerlich senile Tattergreise schauen aus einem Bilderrahmen und plappern mit Greisenstimmen über das Pennal. Man konnte ahnen: das wird unwürdig.
„Dieser Roman ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, daß die Schule es nicht merkt“, stellt Spoerl seinem von Generationen geliebten und mit Respekt behandelten Buch voran. Festersen hat es nicht gemerkt. Eine erste Filmfassung 1934 („So ein Flegel“) fand mit dem Drehbuch Hans Reimanns nicht den Beifall der Vorlage. Erst Spoerls eigenes Drehbuch verhalf 1944 unter der Regie von Helmut Weiss dem Stoff zum bis heute anhaltenden Erfolg.
Daran müssen sich folgende Inszenierungen messen lassen. Die der Burghofbühne warf ausschließlich Fragen auf.
Das Stück spielt um 1900, und die Kostüme weisen annähernd darauf hin. Wieso wird zum Szenenwechsel ständig Glenn Millers „In The Mood“ (1939) eingespielt? Und was hat Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ da verloren? Wieso überziehen sämtliche Charaktere mit Ausnahme von Hans Pfeiffer (recht gut: Philipp Sebastian), Husemann (ordentlich: Thomas Hamm), Wwe. Windscheid (passabel: Anna Haack) und Prof. Bömmel (herausragend rheinisch-sympathisch gezeichnet: Anton Schieffer) stets bis zur häßlichen Groteske? Albern verstellte Stimmen machen weder alte Männer noch junge Burschen. Das muß man spielen. Alles andere ist Makulatur.
Luck (Leif Scheele) darf kein schleimiger Kriecher sein wie hier. Knebel (M.P. Alvaro) ebenso kein Schläger. Rosen (Andreas Mayer) bekommt eine unangemessen starke Präsenz. Die schöne Marion fehlt. Dr. Brett fehlt. Er wird durch den Direx (Josef Hofmann) ungenügend ersetzt. Der Humanist „Zeus“ wird dabei zum bemitleidenswerten Trottel. Lyzeums-Schülerin Eva (Iris Kunz), zur Referendarin umgeschrieben, was die Schüler-Romantik tötet, liegt völlig daneben. Ebenso daneben die Verzerrung des charaktervollen Prof. Crey (Michael Gabel) zum erbärmlichen Clown. In den wenigen Momenten, wo sich die Inszenierung annähernd an das Original hält, wie bei Bömmels Physik, spürt man Spoerl. Ansonsten herrscht bodenlose Dummheit.
Kurzum: der Inszenierung fehlt insgesamt die „settliche Reife“ – drei verschwendete Stunden. „Sätzen sä sech, sä send albern! Necht genögend!“
 
Frank Becker, 10.1.09