Ein Mörike-Extra

Eduard Mörike auf die Dichterfinger geklopft

von Konrad Beikircher

Eduard Mörike - Bleistiftzeichnung von
Johann Georg Schreiner, 1824
Frühling läßt sein blaues Band

Ein Mörike-Extra
von Konrad Beikircher
 
Nun, das muß ich irgendswie auch mal sagen, wenn ich sehe, was da alles so als Literatur läuft: kein Wunder, daß dem Normalleser das Hirn verklebt und vernebelt, es ist zum großen Teil unerträglich, wie einem die Herren Autoren den Kopf verdrehen. Hier zum Beispiel:
Sprechen Sie in gebundener Form? Ich meine nicht: gefesselt, wer spricht denn da schon, da schreit man höchstens „Hilfe“ oder irgend so einen Blödsinn. Nein ich meine: in Gedichtform? Nein? Na also. Gedichte - wat soll dä Quatsch? Ich hab so eins vorliegen, Mörike, Wolf Biermann hat ja als erster den Mörike-Preis der Stadt Fellbach bekommen und ist damit zum Stamm-Schreiber in der Zeit avanciert, Jan Wagner ist ihm nach diversen anderen mehr oder minder begabten Schreibern 2015 gefolgt -  Mörike also, der schwäbische Geistliche als Spiritus rector für folgende Lyriker-Generationen, aufgepaßt:
 
„Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumem schon,
wollen balde kommen.
- Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bists!
Dich hab ich vernommen!“
 
Ich bitte Sie, was solln des? Der Frühling und ein Band haben! Haben Sie so was schon mal gehört? Als wär der Frühling irgendwer, Jakob Frühling, Solinger Straße 7, 5401 Dingenskirchen oder was, und als habe er - gäbe es ihn denn - ein blaues Band zur Hand, das er dann durch die Lüfte flattern läßt. Was eine verquaste Scheinklauberei. Im Frühling hat jeder, wie man weiß, andere Sorgen, als irgendwelche Bänder durch die Lüfte flattern zu lassen: da ist man der Ehefrau müde und schaut sich schon mal nach was Neuem um, da scheint die Tochter das Abi doch nicht zu schaffen, da ist das Urlaubsziel immer noch nicht klar: die Frau will nach Dänemark wegen des Hundes, die Kinder wollen discotechnisch nach Ibiza und man selbst möchte am liebsten im Bett bleiben, da ist die Frage nach dem neuen Anstrich fürs Haus noch nicht geklärt, wo doch jetzt überall die Werbung der Bausparkassen das nahelegt, da muß man sich um den Bonsai-Asylanten in der Familie noch kümmern, die Perserkatze: abschieben oder doch durchfüttern lassen? Da muß man den Rasenmäher wieder aus dem Winterschlaf reißen und dergleichen Fragen mehr, und da läßt dieser Depp aus Schwaben seine blauen Bänder flattern! Der einzig sinnvolle Satz in diesem Gelaber ist: „süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land“. Allerdings, Herr Mörike, schön, daß es damals auch schon Gülle gab, kann unsereins ein Lied von singen und: diese Düfte streifen nicht nur das Land! Ein Glück, daß das Fenster schon erfunden ist, so kann man es mindestens zumachen und hat zu Hause die Nase frei. Aber dann quast es gnadenlos weiter: „Veilchen träumen schon, wollen balde kommen“ was solln nun des? Ein Veilchen haue ich, zum Beispiel, Herrn Meier von nebenan, wenn der nicht bald auf Elektromäher umstellt, der Krach ist ja nicht auszuhalten, aber Veilchen träumen nicht, ist das klar?! Und daß Veilchen Beine haben, das fehlte ja noch. Und dann der ganze Mist mit Harfentönen und Frühling, ja, Du seiest es und Dich, Frühling, hätte ich vernommen. Also solche gebundenen Reden sind widernatürlich, unvernünftig und dienen nichts anderem, als der Verdummung der Kinder und des Volkes. Was sollen denn die Schüler denken? Daß jetzt immer im Mai irgendein Depp mit blauen Bändern kommt und wenn er nicht kommt ist der Frühling gestrichen oder was? Oder ist das blaue Band der blaue Brief, Albtraum aller Eltern, deren Kinder in feine Schulen gehen? Der Frühling, werter Herr Mörike, kommt bänderlos, er schießt einem höchstens in die Bandscheiben, falls man es im Rücken hat, mit seiner warmen Feuchtigkeit, die einen dazu verführt, zu leicht bekleidet Wäldchen aufzusuchen in der Hoffnung, irgendeine Tussi aufzugabeln. Also lassen Sie gefälligst solche gereimten Albernheiten. Ach so, Sie sind schon tot. Sehen Sie, das kommt davon.
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 
Redaktion: Frank Becker