Nachtbilder

Olivo Barbieri – „Ersatz Lights. Case Study #1 East West“

von Sabine Kaufmann


Nachtbilder
(Ersatz Lights)
 
Olivio Barbieris erste umfassende Werkschau
 
Gestern durfte ich Ihnen einen originellen Fotoband über das provinzielle Stuttgart vorstellen, heute geht die Augenreise in die Welt. Der italienische Fotograf Olivo Barbieri (*1954 in Carpi) hat sich durch seine ab 1980 zunächst in Italien, später rund um den Globus entstandenen Nachtbilder einen Namen gemacht, durch seine besonderen Stilmittel einen eigenen fotografischen Claim abgesteckt.
 
„Erkennungsmerkmal seiner Aufnahmen ist eine äußerst geringe Tiefenschärfe, die den Eindruck erweckt, es handele sich um Miniaturmodelle. Trotz Menschenmassen, Verkehrsströmen, Hochhausketten, Gebirgszügen oder Wasserfluten in satten Farben und starken Kontrasten wirken die dargestellten Welten befremdlich. Durch die lange Belichtung der künstlich erleuchteten Städte wird dieses Gefühl noch verstärkt.“, schreibt der Hatje Cantz Verlag, bei dem das brillante großformatige Fotobuch erschienen ist, über Barbieris Arbeitsweise. Befremdlich erscheinen viele der Bilder auf den ersten Blick tatsächlich, dann aber setzt sich die Faszination des in diesem eigenwilligen Stil Gezeigten durch.
Es erscheint beim Durchblättern und langen Betrachten wie das Bilderbuch aus einer Phantasiewelt, so irreal wirken die Sujets durch Barbieris eigenwilligeBelichtungstechnik. Gleichzeitig wird häufig der fast erschreckende Kontrast zwischen brutalem Verfall und glitzernder Kulissenwelt urbaner Szenen deutlich. Vor allem die Slums chinesischer Mega-Metropolen wie Shanghai, Beijing oder Kanton vor dem Hintergrund schillernder Glaspaläste machen diesen Aspekt von Barbieris Arbeit deutlich. Hier bonbonfarbenes Disneyland, dort Verfall und Elend. Völlig unwirklich erscheinen die Glaspaläste junger asiatischer Architektur in Singapur, Shanghai und Beijing, geradezu anachronistisch Impressionen aus Las Vegas. Einige der Aufnahmen von gigantischen urbanen Highway-Kreuzungen erinnern an die Bilder von Gisela Erlacher, die hier jüngst mit ihrem Band „Nicht-Orte“ vorgestellt wurde. Wie sich der Beton von z.B. Shanghais Stadtautobahnen bedrohlich durch und über die Wohngebiete schiebt, ist schier angsteinflößend. Barbieri hat damit fotografische Dokumente geschaffen.


Olivio Barbieri - Canton, China 1998 


Olivio Barbieri - Singapore 2013 
 
Auf der anderen Seit sind die in den 80ern und 90ern entstandenen stillen nächtlichen Impressionen Barieris aus dem italienischen Norden zu sehen, dazu einige beeindruckende Industrie-Aufnahmen aus England, Österreich, dem Veneto und Harbin. Auch die kulturhistorisch bedeutenden Bauten Roms, Indiens und Chinas hat Barbieri in das Licht des Irrealen getaucht. „Ersatz Lights“ präsentiert erstmals sämtliche Nachtlandschaften des Künstlers. Ein opulenter Bildband mit Fotografien von Ewigkeitswert. Ein besonderer Tip für Weltreisende und Foto-Enthusiasten.
 

Olivio Barbieri - Pellestrina, Venezia 1988

Olivo Barbieri – „Ersatz Lights. Case Study #1 East West“
Hrsg. Olivo Barbieri, Texte von Francesco Zanot, Gespräch von Laura Gasparini mit dem Künstler , Gestaltung von Julia Wagner – Texte in Englisch und Italienisch
© 2015 Hatje Cantz, 224 nn Seiten, gebunden, 198 farbige Abbildungen, 24,5 x 30,7 cm
ISBN 978-3-7757-3982-5
58,- €
 
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de
 
Ausstellung: Villa Manin, Passariano ab Sommer 2016