Es triefen

(...zwar die Religionen)

von Peter Zeitelberger
Es triefen

Es triefen zwar die Religionen
von Toleranz und Nächstenliebe,
doch hüte dich darin zu wohnen,
sonst setzt es unbarmherzig Hiebe.

Wer deren Gottheit sich erwählt,
der braucht den Teufel als Erklärer,
wer sich zu deren Herden zählt,
wird sicher nicht zum Glückvermehrer.

Des Lebens ganzes Mißbehagen
wird schlüssig dorthin weg gelogen,
Wo andere andres Unglück tragen,
in Wahrheit aber wird betrogen.

Es leben ganze Dynastien
von Pfaffen und von Schwätzern
beschwörend, was grad nützlich schien
der Haß spricht aus den Hetzern.

Sie wissen nichts, wir wissen nichts,
noch wußten die, die schrieben.
Es fehlt seit jeher klare Sicht,
und dabei ist's geblieben.

Wir schlachten, fressen Hekatomben;
Harpyien sind wir, wider Willen.
Bewerfen Zweifler rasch mit Bomben
und tragen rosarote Brillen.

Wir sind zu stark für unsere Schwäche,
zu dumm für unseren Intellekt,
wir koten erst in unsere Bäche
und braun draus Bier, das seltsam schmeckt.

Was hat uns bloß so werden lassen:
Zuviel von vielem, und zu wenig Geist.
Was zwingt uns auf, rundum zu hassen?
Wo bleibt die Ehrfurcht, die uns weist?


Peter Zeitelberger