Der Spott der kleinen Dinge

Chefsachen

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Chefsachen
 
Neulich ist mir wieder ein Buchtitel vor der Nase weggeschnappt worden. Ich habe ein Dutzend Manuskripte in der Schublade für den Fall, daß es mal aus ist mit mir und der Zeitung. Regelmäßig werfe ich einen dieser Texte weg, weil das Buch schon ein anderer geschrieben hat. Das, das jetzt erschienen ist, heißt: „Mein Chef ist eine Frau“. Ich hatte mal einen Chef, der eine Frau war (also nicht verkleidet, sondern echt).
     Das Buch ist fertig. Es ist dramatisch und lustig zugleich, das ist als Mischung ja selten. Außer Bonanza wüßte ich in der Weltliteratur eigentlich gar nichts Vergleichbares. Meine Lieblingskapitel im Buch „Mein Chef ist eine Frau“ hießen „Diese Diät ist super!“, „Die Einparkhilfe“, „Der Fußmattenkauf“ und „Ich steh jetzt zu meiner Figur!!!“.
     Ich wollte das Skript wegschmeißen, aber da rief meine Mutter an. Meine Mutter war 16 Jahre lang meine Chefin, außerdem ist sie eine Frau; entsprechend können wir über alles reden.
     „Wirf das nicht weg! Nenn es einfach anders!“, sagte sie und erinnerte an den Weihnachtsbasar meiner Schule. Den hatte ich vergessen. In der Film-AG wollten wir 1981 den Krimi „Zehn kleine Negerlein“ drehen, dafür brauchten wir kleine Negerlein. Die machte die Töpfer-AG. Der Film kam nie raus, aber die Püppchen waren fertig. Der Töpfer-Lehrer mogelte sie Monate später beim Basar unter seine Krippenfiguren. Zehn deutsche Familien haben seitdem ein Negerlein als Josef, aber die Krippe ist so abstrakt, dass es keiner merkt.
     Mit dem Rat meiner Mutter lief ich zum Buchhändler, um weitere Dubletten auszuschließen. Er teilte mir routiniert mit, dass „Mein Chef & Diener“, „Mein Chef ist ein Idiot“ und“Mein Chef ist ein Affe“ ebenfalls vergeben seien. Er schlug lachend „Meine Frau ist der Chef“ vor. Ich wünschte ihm halbherzig ein gutes Weihnachtsgeschäft und ging.
 
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.