Bestsellerfressen

„Fit wie ein Turnschuh“ von Cherno Jobatey

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Mental total verknotet
 
„Fit wie ein Turnschuh“
von Cherno Jobatey
 
 
Liebe Leser!

Während normale Menschen zu 77% aus Wasser bestehen, ist Cherno Jobatey aus Glitsch. Andre behaupten sogar: zu 97%. Das ist kein Rufmord. Das ist Konsens. Könnse fragen, wense wollen. Der Rest ist ganz, ganz schlimmes In-die-Kamera-Grinsen, Turnschuhe mit Anzug, Pferdeschwanz und Quark. Er hat »Politik studiert«, danach dann folgerichtig die ARD-Ratesendung »Kopfball« moderiert und dem ZDF »Verstehen Sie Spaß?« vor die Wand gefahren. Seit zwölf Jahren spaßvogelt er eisern im »ZDF-Morgen­magazin« rum, und dort hat er im März 2005 anläßlich der Einsargung Wojtylas zum ersten Mal im Laufe seiner traurigen TV-Existenz nicht den kakophonischen Gacker­sack gegeben, sondern den „ganz traurigen“ Jammerlappen. Da hat er nämlich geklagt:
»An was sollen wir denn jetzt noch glauben?«
Huhuh!

Tja, Cherno, ich weiß es auch nicht. Aber vielleicht sollte die Menschheit wissen, zu welch unglaublichen Quanten­sprüngen du es in deiner Käse­mauken-Bibel »Fit wie ein Turnschuh« so gebracht hast. Zum Beispiel:
»In meinem Leben als Journalist muß ich jeden Tag einige Stunden damit verbringen, Wissen aufzuneh­men, also zu lesen.«
Hm.
Liebe Leser, zumeist überliest man ja solche Schätzchen der Großlitera­tur. Man denkt nichts Böses, blättert vor sich hin, meint vielleicht noch: »Hä, wat war dat denn?«, dann scheißt aber auch schon der Hund drauf un' weg is et. Deshalb ganz bewußt, hier und heute, jetzt, hellwach und in einzelnen Schritten - once more:
»Wissen aufzunehmen ... also zu lesen ... In meinem Leben als Journalist ... ... muß ich jeden Tag einige Stun­den damit verbringen, ... Wissen aufzunehmen, ... also zu lesen.«
Und nachdem der unstreitbare Wissenaufnehmer Cherno keine Probleme damit hatte, solche Satzdebakel zu voll­bringen, wird er auch kaum ernst­haft Einwände gegen die Verlagsidee für den Untertitel gehabt haben: »Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg«.
Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg, Leben als Journa­list oder einige Stunden am Tag damit verbringen, Wissen aufzunehmen ... mein Gott, is doch ejal! Was juckt's & kümmert's uns? Was mich bei diesem indo­germanischen Hampelmann nur so wahnsinnig, ja, quasi komplett fertig und bekloppt macht, das ist sein Humor:
»Ich habe mal eine Altherren-Schwimmgruppe ge­gründet. Altherren deswegen, weil wir alle über 25 waren.« Hö, hö, hö. »Aber nach einer Weile habe ich gemerkt, daß mir Schwim­men auf die Dauer zu langweilig war. Denn ich bin eine Labertasche«, ach, was, »und im Schwimm­bad kann man einfach nicht so gut reden, schon gar nicht unter Wasser.«
Mordphantasien, meine Damen und Herren, Mordphantasien ... äh, wie komme ich jetzt auf Mordphantasien?
Egal. Weiter:
»Das war also nichts für mich. Dann entdeckte ich das Laufen oder besser: Ich erkannte, daß der Turnschuh meine Bestimmung war.«
Heilige Vorsehung! Und ich hatte schon befürchtet: Jeden Tag einige Stunden noch mehr Wissen aufzunehmen. Nun gut.
»Irgendwann fing ich mit dem Joggen an. Erst ganz langsam, dann immer mehr.«
Ja. »Erst ganz langsam«, dann aber nicht immer schneller, sondern »immer mehr«. Is' klar.
Hey, Cherno, alter Sportsfreund!
Weißt du, was du bist?
Du bist und bleibst
ein Journalist.

Apropos Journalist. Beziehungsweise: Jeden Tag einige Stunden damit verbringen, Wissen aufzunehmen! Als interessierte Bürger wollen wir natürlich erfahren: Wie macht der Mann das? Nun:
»Wenn ich sehr viel zu lesen habe, dann sitze ich auf dem Fahrradergometer, das Programm fährt bergauf und bergab, und ich lese über die aktuelle Politik.«
So, so. Er liest also über die aktuelle Politik. Das ist auch gut so, denn er will ja schließlich viel Wissen aufnehmen. Und zwar deswegen, weil er »jeden Tag live über die ein­zelnen Aspekte politischer Dinge diskutieren muß.« »Über einzelne Aspekte politischer Dinge«! Okay. So weit konnten wir noch folgen. Aber warum tut der Cherno so was auf einem Fahrradergometer? Ganz einfach: Weil er mehr als einen an der Waffel hat. Und das Auf-der-Stelle-Eiern bei ihm optimal die Wissensver­dauung anregt. Und weil – so platt ist die Welt – es alle machen. (Wegen sog. eigener Ideen ist er ja nicht unbedingt berühmt geworden.) Er kennt halt viele Leute, die sich auf ihren Ergometer setzen, um dort für einige Stunden am Tag Wissen aufzu­nehmen:
»Ich kenne viele Leute, die sich auf den Fahrradergo­meter setzen und dabei Zeitungen, Magazine, Bücher oder auch Geschäftsberichte lesen.«
Fügt jedoch mit kriti­schem Unterton hinzu:
»So etwas beim Laufen zu tun, ist nicht jedermanns Sache. Auf dem Laufband ist es noch eher möglich, aber nicht in der Natur.«
Nanu! Woher weiß er das? Hat er es je ausprobiert? Ja, natürlich hat er es ausprobiert. Und er muß auch diverse Male mit 'm Buch gegen 'nen Baum gebrettert sein! Anders wär'n Phänomen wie Cherno auch gar nich zu erklär'n.
Da er aber seine Turnschuh-Kladde für blutige Anfänger konzipiert hat, hält er vornehmlich Vorschläge für Leute bereit, die noch nicht so weit sind:
»Warum nicht beim Joggen draußen in der Natur Theorien rekapitulieren oder geschichtliche und poli­tische Zusammen­hänge intensiv durchdenken?«
Ja, warum eigentlich nicht?
Und sehense, liebe Leser, den Verdacht hatte ich schon immer. Die da walken, joggen & talken – die pfeifen nicht aus all ihren letzten Löchern, die rekapitulieren Theorien! Wenn sie in solchen Kapitulationsmomenten nicht sogar politische Zusammenhänge intensiv durchdingens ... äh ... durchdenken. Übrigens: Für den Fall, daß beim heiteren Rekapi­tulieren von Theorien, Aufnehmen von Wissen & Durch­denken einzelner Aspekte politischer Dinge o.ä. doch mal so'n dummer Baum im Weg stehen sollte, hat der abge­brühte Knaur-Verlag hinten im Impressum vorsichtshalber festgehalten:
»Die Haftung des Autors für Personen-, Sach- u. Vermögens­schäden ist ausgeschlossen.«
Und noch ein lebenswichtiger Hinweis für all die lieben Leser und Lese­rinnen, die nach dieser Rezension trotzdem sofort loslatschen wollen:
Es könnte sein, daß Sie sich, falls Sie beim Joggen zu viele Theorien rekapitulieren, dann »mental verknoten.« Das ist dem Cherno nämlich auch mal passiert. Aber angeblich ist da nix von zurückgeblieben.
Gute Nacht.

Nachtrag:
An was sollen wir denn jetzt noch glauben?

Apr. 2005