E-Postkarte aus Indien - 21.08.15

Als Arzt für 6 Wochen mit German Doctors in Kalkutta (2)

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper
Als Arzt für 6 Wochen mit German Doctors
in
den Slums von Kalkutta (2)

Die Ärzte von German Doctors helfen dort,
wo Hilfe am meisten benötigt wird.

Die ersten Arbeitstage in der Ambulanz an der Foreshoreroad liegen inzwischen hinter mir. Nach dem Frühstück um 7 Uhr fahren wir mit einem Ambulanzwagen des Sozialwerks Howrah South Point los, welches seit 30 Jahren mit den German Doctors kooperiert. In der schlammigen Zufahrt zur Ambulanz zwischen Schuppen und Gebäuden findet heute eine Kuh ihr Futter. Vor der stinkenden und dampfenden Müllhalde neben der Zufahrt suchen junge Männer aus sauber ausgebreitetem Müll wertvolle Metallreste, und vor der Ambulanz warten mehr als hundert Patienten.

Wir stempeln sie auf den Unterarm zur Dokumentation ihrer Anwesenheit und schätzen dabei die Dringlichkeit der Behandlungsbedürftigkeit ein. Denn alle Gestempelten werden heute angesehen und Säuglinge wie Schwerkranke bekommen eine rote Kappe auf. Sie werden vorgezogen. Die Helferin im Verbandsraum, die Impfschwester, Chris und Mehmed von der Anmeldung richten ihre Arbeitsplätze. Esther und Djuma, unser Übersetzerinnen (englisch-Bengalisch/Hindi), haben sich sortiert - Kugelschreiber, Blutdruckgeräte, Anti-Mückenspray, Anti-Mückendocht, Stempel, Rezeptblock, Liste der verfügbaren Medikamente auf dem Tisch ausgebreitet -, Platz genommen, und dann starten wir.


Morgendliche Warteschlange vor der Ambulanz - Foto © Johannes Vesper


In der Ambulanz - Foto © Johannes Vesper


Suche nach verwertbaren Metallresten - Foto © Johannes Vesper


Müllkippe gleich neben der Ambulanz - Foto © Johannes Vesper

Es wird entwurmt, geimpft, werden Vitamine gegeben, wird untersucht und behandelt: Spinnenbisse, Hautgeschwüre, Halstumore, Herzfehler, Rachitis beim Kleinkind, Tbc, Epilepsie und alles andere. Bisher habe ich aber zwei Kinder mit Malaria gefunden. Die Krankheit ist in Kalkutta selten. Mit der Kollegin in dem kleinen Untersuchungsraum werden gelegentlich Befunde und Fragen diskutiert. Sie ist eine erfahrene Kinderärztin aus Hamburg. Die Dauermedikation für Hochdruck, Diabetes, COPD, Epilepsie – Epilepsie bei Kindern ist hier relativ häufig - verordnen wir jeweils nur für 4 Wochen. Mehr als vier Medikamente gleichzeitig werden von German Doctors nicht bezahlt. Sind weitere Medikamente notwendig, wird der Patient diese selbst bezahlen. Die Medikamente werden in Papiertütchen mit auch für Analphabeten zu verstehenden Dosisangaben (morgens, mittags, abends) in unserer Ambulanz ausgegeben und die Dosierung und Einnahme zusätzlich erklärt. Vielleicht können wir in Deutschland von einem solchen System auch lernen. Die Lebensgeister werden gegen 10:00 Uhr mit einem kleinen süßen, heißen Milchtee aufgefrischt. Im Untersuchungszimmer schwitzen wir alle so vor uns hin und mittags essen wir um 13:00 Uhr aus dem mitgebrachten Henkelmann. Der Monsun hält sich heute zurück und schüttet nur gelegentlich, wahrscheinlich, weil sich die gesamte Luftfeuchtigkeit Bengalens ohnehin auf unserer Haut bzw. in unseren Hemden befindet.
 
Bis bald und herzliche Grüße vom Ganges. Da liegt nämlich Kalkutta!
Ihr
Johannes Vesper