Haikus (nicht nur) für Ösis
„Wie man hassen soll“
„Der Haß kennt keine Grenzen.
Außer formale natürlich:
fünf Silben in der ersten,
sieben in der zweiten, und
wieder fünf in der dritten Zeile.“
(Ben Saoud/Gram)
Wohin mit dem ganzen Haß? „Wir sind gewaltfrei und schreiben Haikus!“ Amira Ben Saoud und Manfred Gram haben 555 Haikus gegen alles und jeden geschrieben und daraus ein Buch der „verdichteten negativen Gefühle gegen das Schlechte in der Welt“ gemacht. Die bitterbösen bis zynischen auf der kürzesten japanischen Gedichtform fußenden Dreizeiler aus 17 Silben kotzen aus, was den beiden Autoren zentnerschwer auf der Seele liegt, auf die Nieren und Nerven geht und endlich mal raus mußte.
Wohin also mit all dem Haß, der sich im Alltag gegen Prominente und Veganer, Horoskope und Medien, Trends und alle anderen Widrigkeiten aufstaut? Amira Ben Saoud und Manfred Gram sind der Meinung, daß physische Gewalt nicht die Lösung sei. Haß soll nach ihrer Ansicht verbal verdichtet werden – und da ist das Haiku für sie die perfekte Form. „Denn genau wie das japanische Haiku haben Verachtung, Hohn und Groll Tradition und verdienen poetische Behandlung“, sagen sie. Um es genauer zu sagen: sie haben der wirklich starken Emotionen wegen die Gestalt des dem Haiku formgleichen Senryū gewählt, das dem geschmähten Gegenstand oder Menschen den Hohn, die Verachtung entgegenbringt, wie es vergleichbar die Sottise in der deutschsprachigen Prosa tut.
Daß das Verständnis eines Gutteils der in diesem von Gedankensäure triefenden Bändchen versammelten Haikus den nicht-österreichischen Rezipienten der nationalen Zuordnung wegen verschlossen bleiben muß und sicher nur ein ziemlich geringer Teil der statistisch ca. 8,4 Millionen in Österreich lebenden Menschen Zielgruppe sein kann, führt zu der Feststellung, daß dieses Buch einen recht übersichtlichen Leserkreis erreicht. Und dennoch: all das mußte mal gesagt werden – letztlich sind Namen austauschbar. Was zählt, sind die Ursachen für die lyrischen Ausbrüche des höchst kreativen und wortgewaltigen Autorenduos. Und derer gibt es viele. Es macht Spaß, sich dem an die literarischen F(V)erse(n) zu heften.
Im gesamten deutschsprachigen Raum verständliche Textproben:
Poetry Slam III Bestseller
Eure Texte sind Paulo Coelho
einfacher gestrickt als die Steck doch die Weltseele in Mützen, die ihr tragt. den „anus mundi“! Alkoholproblem Cousine unsterblich
Seit Jahren schon sauf´ Bitte, krepier´ nie!
ich dich schön. Danke für die Auf deinem Grabstein steht sonst:
Leberzirrhose. Chantal Pichlmüller.
Clooney Verschwörung
Deine Urne soll Xavier Naidoo,
eine Kaffeekapsel sein. dein Weg in die Hölle wird
Nespresso, what else…? ein leichter sein, Depp!
Heidi Klum Da hat man länger was
„Hans & Franz“ heißen Ohne dich wär das
die Titten – „Dumm und Dümmer“ „Spiegel“-Cover oft sehr leer.
die Gehirnhälften. Vielen Dank, Hitler!
Amira Ben Saoud & Manfred Gram – „Wie man hassen soll“
555 Haikus gegen alles
© 2015 Milena Verlag, 206 Seiten Broschur, Lesezeichen, mit Illustrationen von Lisa Kainz, Vorwort von Marc Carnal & Max Horejs – ISBN 978-3-90295-032-1
17,90 €
Weitere Informationen: www.milena-verlag.at
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