Noch einmal Brahms und Schumann:

9. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal mit Benedict Kloeckner

von Johannes Vesper

Noch einmal Brahms und Schumann:

9. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal
mit dem Solo-Cellisten Benedict Kloeckner
 
Wie schon im 8. Sinfoniekonzert mit Brahms´ Violinkonzert und Schumann 2. Sinfonie jetzt noch einmal spiegelbildlich Romantik pur mit dem Schumannschen Konzert für Violoncello und Orchester sowie der 2. Sinfonie von Johannes Brahms. Robert Schumann komponierte sein Cellokonzert im Oktober 1850 in nur zwei Wochen, nachdem er die Stelle als Musikdirektor in Düsseldorf angetreten hatte. Er hatte damals den Frankfurter Cellisten Robert Emil Bockmühl gebeten, das Werk uraufzuführen. Dieser renommierte Musiker hatte seine technischen und musikalischen Schwierigkeiten mit dem Werk. In 26 Briefen an den Komponisten äußerte er seine Kritik und forderte eine Neukomposition des 3. Satzes. Für undankbar und effektlos wurde das Konzert von ihm gehalten. In „wildem Fingersatz“ müsse der Cellist auf dem „Griffbrett hin und her springen“. Das Konzert sei auch in langsamerem Tempo auf dem Cello kaum sauber und rein aufzuführen und der Effekt des Werkes beim Publikum sei dadurch eher schwach. Stimmte am Montagabend in Wuppertal aber alles nicht.
 
Nach kurzer Orchestereinleitung erklang das Cello unter den Händen des jungen Solisten Benedict Kloeckner wunderbar und empfindsam, tastend, suchend, nicht schnell. Mit dem Orchester-Tutti begann der Fluß der Musik, immer wieder unterbrochen durch transzendentales Pianissimo des singenden Cellos, und nach virtuosen kurzen Einwürfen entwickelte sich das markante, punktierte abfallende Thema, welches vom Orchester bald übernommen wird. Im lyrischen 2. Satz kam es zum hochromantischen, herrlichen Zusammenspiel mit Inga Raab, der Solocellistin des Orchesters. Der 3. Satz musikalisch leichter, technisch sehr schwierig, mutet an wie eine wie eine orchestral begleitete Kadenz zeitweilig rezitativischen Charakters, und endet mit einer halsbrecherischen Koda. Mühelos auch gegen das große Orchester und mit starkem Ausdruck spielte Kloeckner an diesem Abend dieses nicht häufig zu hörende Juwel der Celloliteratur. Geboren 1989, konzertiert der Preisträger verschiedener Cello-Wettbewerbe bereits mit den großen Sinfonieorchestern Deutschlands, ist Gast bei den großen Festspielen (Ludwigsburg, Schwetzingen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig Holstein) und gründete 2014 sein eigenes internationales Musikfestival Koblenz. Er spielt auf einem Cello von Francesco Ruggieri (Cremona um 1680), dem das moderne, etwas kleinere Cello in seiner jetzigen Form mit Stachel zu verdanken ist. Für den starken Applaus bedankte er sich mit dem Präludium der 6. Suite für das Violoncello von Johann Sebastian Bach. Welch beglückende Souveränität, stark empfindend, konzentriert, mit ständigem Blick nach rechts oben in den unter dieser Musik aufreißenden Himmel entwickelte der junge Solist die seelenvolle Vielstimmigkeit über Orgelpunkten mit einigen frappant-virtuosen, dekorativen Zwischenspielen. An welch starker Empfindung nahmen wir zuhörend teil! Eine fallende Stecknadel hätte man sicher gehört. Nach gleichsam ausatmenden Schlußtakte dann – Stille vor dem erneut begeisterten Applaus des hingerissenen Publikums.
 
Nach der Pause dann Brahms 2. Sinfonie, für die er im Gegensatz zu seiner 1. im Herbst 1877 nur wenige Wochen benötigte. Mit der Uraufführung am 30.12. 1877 in Wien unter Hans Richter war der Komponist sehr zufrieden. Und der Chirurg Theodor Billroth äußerte „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Sonnenschein und kühler grüner Schatten“. Der Vergleich mit der Naturhaftigkeit der Pastoralen, der 6. Sinfonie Beethovens liegt nahe. Dabei spiegelt die Brahmssche sinfonisch-musikalische Naturdarstellung kein Vergnügen an der Idylle wider, gibt es doch aus der Zeit der Entstehung dieser Sinfonie eine erschreckende Äußerung von Johannes Brahms (in einem Glückwunschschreiben an den Geiger Josef Joachim zur Geburt dessen Sohnes) „Das Beste kann man ja in dem Falle nicht mehr wünschen – nicht geboren werden“. Unter dem eleganten und exakten Dirigat Kamiokas entwickelte sich der 1. Satz mit fließend-sinfonischem Orchesterklang - „brutal störende Interventionen“ (Peter Gülke) hörten wir nicht - mit steigendem Tempo und wichtiger Zwiesprache zwischen Violinen und Bässen bis hin zu Fugato und Dorfmusik-Episode. Im 3. Satz nach Holzbläsern mit begleitendem Pizzicato dann ein etwas überraschendes Prestissimo der Streicher, empfindsame Ritardandi, bevor im letzten Satz mit schwungvoller mitreißender Melodik, synkopalen Brahmsschen Orchesterschlägen, Generalpausen, großem sinfonischen Klang das Orchester alles bietet, was romantisch sinfonische Musik zu bieten hat. Starker Applaus mit Bravorufen für das ganze Orchester von einem Publikum, welches dem Dirigenten nicht übel zu nehmen scheint, daß er die Stadt nach seinem Desaster als Intendant der Oper Wuppertal verläßt.

Nach dem Konzert von 1¾ Stunden Dauer (inkl. Pause) macht der 5. ungarische Tanz von Johannes Brahms als Zugabe mit Glissandi, zeitweise affenartigen Tempi und extremen Temposchwankungen Spaß, bringt ungarische Volksfeststimmung unter die Leute und zerschlägt nachhaltig den Eindruck und Nachhall der herrlichen Sinfonie.
Das Konzert wurde vom WDR aufgezeichnet
 
Dr. Johannes Vesper