Ein Vierteljahrhundert Komische Kunst

André Poloczek – Ein Zeichner, der sich stets neu erfindet

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
André Poloczek

Ein Vierteljahrhundert Komische Kunst
 
 
Das paradoxe Denken beim Cartoon-Zeichnen
kann auch praktische Lebenshilfe sein.
(André Poloczek)
 
Der mit Wupperwasser getaufte Maler und Zeichner, Karikaturist und Illustrator André Poloczek (55), ein überzeugter Arrenberger, der unter dem Kürzel „POLO“ zu den besten deutschen Cartoonisten zählt, erreicht mit der 2 g leichten Zeichenfeder etwas, das von unschätzbarem therapeutischem Wert ist: er schenkt uns eins ums andere Schmunzeln oder herzliches Lachen. Längst ist er neben seinem Urgroßonkel Wilhelm Neumann-Torborg (1856-1917), der 1903 das auf dem Elberfelder Kirchplatz wiedererrichtete Armenpflege-Denkmal geschaffen hatte, in die Wikipedia-Liste der berühmten Wuppertaler eingezogen. Daß Wuppertal mit Künstlern wie Chlodwig Poth, Eugen Egner und Jorgo Schäfer eine große Tradition der gezeichneten Satire und somit einen guten Boden dafür hat, sei am Rande erwähnt.
 
Aus seinem Atelier an der Friedrich-Ebert-Straße - mit Wupperblick und Schwebahn-Vorbeiflug im 3-Minuten Takt - gehen die Bilder ins Land, die schon so viele Menschen zu eben diesem Lachen

© André Poloczek
gebracht haben, Leser von „Titanic“, „Eulenspiegel“, „ran“, „Tabula“, „Kowalski“ und „X-Mag“ (um nur einige zu nennen) werden es wissen. Sein „Anton von der Gathe“ (zuerst in den Wupper Nachrichten, später in der Wuppertaler Rundschau) war 20 Jahre lang Kult, wenn auch ein Ölberger, ähnlich die monatlichen „Tuffis“ im Satire-Magazin „iTalien“. Sicher hat manch einer auch schon eins seiner mehr als 20 Bücher, die (nach den Erstlingen „Arsch auf Grundeis“ und „Walther – Teufelspakt und Minnesang“, die Anfang der 90er im Semmel Verlach erschienen sind) in der Mehrzahl beim Lappan Verlag erschienen sind, in den Händen gehabt und nicht wieder hergeben wollen. Das ist zu verstehen, denn sie sind von tiefem Humor, der mitunter auch beißenden Spott und scharfe Satire enthält. „Schadenfreude ist die reinste, aber auch die einfachste“, sagt POLO, „das ist mir meist zu wenig.“ Diesen Grundsatz hält er ein und ist zufrieden, wenn das Lachen ein Erkenntnis-Lachen ist: „Dann stimmt die Pointe!“. Große Erfolge waren 1997 das geradezu prophetische „Die Post geht an die Börse“, 1998 das ultimative VW-Buch „Echt Käfer“ (beide mit Ari Plikat) und 2001 „Mama, was ist ein Klugscheißer?“, Humorstandards sind seine Bücher der Reihe „Cartoons für...“ und ebenfalls bei Lappan seine regelmäßige Mitwirkung bei den Serien „Beste Bilder“ und „Fiese Bilder“.(Auch für Coole Bilder hat er gezeichnet.)
POLO-Catoons erscheinen derweil auch im Carlsen Verlag („Verboten!“), im Holzbaum Verlag („Cartoons über Katzen“) und seit 1990 im „Karicartoon“-Kalender des Espresso Verlages.
Wer übrigens mal eine bittere Pille aus der Apotheke holen muß, kann sich die von Fall zu Fall auch mit POLOs Cartoons versüßen: Seit 2000 ist POLOs jährlicher Kalender „Heitere Apotheken-Welt“ der Renner im legalen Drogenhandel. Dauerhaft lauern seine Cartoons und Postkarten in den Buchläden auf Lachhungrige.

 
© André Poloczek
 
Die Welt kann der Schüler von F.K. Waechter und F.W. Bernstein („…sie haben mir in die Wiege gewitzelt.“), der nun selbst zur Bundesliga der heiteren Graphik zählt, zwar mit seinen urkomischen, bisweilen erfrischend albernen Cartoons nicht besser machen, aber man erträgt sie lachend leichter. Dazu dienen dem „gelernten“ Germanisten als augenzwinkernd benutzte Mittel Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Seine erste Liebe galt übrigens der Malerei, und diese Liebe hält. Er ist ein großer Vermeer-Verehrer. Da ist POLOs „Gitarrenspielerin“ als Tribut an den alten Holländer nur logische Konsequenz Was viele gar nicht wissen, ist, daß er so ganz nebenbei ein vorzüglicher Portrait-Karikaturist ist, der die Großen der deutschen Literatur zeitweise zu seinem Lieblingsthema gemacht hat. Hermann Hesse, Heinrich Böll, Günther Grass, Hanns Dieter Hüsch oder Joachim Ringelnatz zum Beispiel hat er mit scharfem Blick und spitzer Feder in limitierter Auflage köstlich aufgespießt. Längst sieht er sich nicht mehr „nur“ als Cartoonist, sondern als jemand, der als Maler, Graphiker, Autor und Fotograf „Komische Kunst“ macht. Der Liebe zur Literatur sind solch beziehungsreiche Werke wie die graphische Sprachspielerei „Der Turmbau zu Brabbel“ und die Graphik „Franz Kafkas erstes Auto“ geschuldet. Und er versucht stets Neues. POLOs schwarz-weiße Aktstudien in der Tradition chinesischer  Tuschmalerei – allerdings mit einer Zahnbürste gemalt, sind von großer Delikatesse.


© André Poloczek
 
POLO arbeitet diszipliniert gerne auch tief in der Nacht, weil er dann ungestört ist, in seiner Humorwerkstatt und legt Wert auf das Handwerk. Er gehört zu den wenigen, die - wenn auch nicht ausschließlich - noch mit der Zeichenfeder und dem Tuschefäßchen arbeiten, und er ist ständig auf der Jagd nach dem raren Werkzeug, damit das heitere Werk gelinge. 1996 wurde er mit dem 1. Preis beim Berliner Karikaturensommer belohnt, vergleichbar mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, sozusagen der „Oscar“ der Zeichner, 2002 in Dresden mit dem mit 5.000,- € dotierten 2. Platz im „Deutschen Karikaturenpreis“. Seit 2008 nimmt er jährlich am Prerower Karikaturensommer teil, einer Open-Air-Ausstellung; 2010 schmückte einer seiner Cartoons den Titel des begleitenden Katalogs – und auch die „Caricatura“ in Kassel sieht POLO gerne als ständigen Gast. Sein Strich wird erkannt und geschätzt, auch von privaten Auftraggebern, denn er arbeitet auch als Illustrator und Werbegraphiker.
 
Von der Wuppertaler „Junior Uni“ mag man halten, was man will – zwei Kurse/Seminare aber werten seit dem Wintersemester 2014/15 das dortige Programm auf: Cartoon-Zeichnen mit André Poloczek. Überhaupt hat POLO den Schritt auf die vermittelnde Ebene gemacht, er gibt seit 2013 Comic-Zeichenkurse, hielt 2013/14 ein Cartoon-Kolleg in der Galerie von Jürgen Grölle und dozierte 2014 bei der Sommerakademie für Komische Kunst in Kassel.
Von der Wuppertaler „Junior Uni“ mag man halten, was man will – ein Kurs/Seminar aber wird ab Sommersemester 2015 das dortige Programm aufwerten: Cartoon-Zeichnen mit André Poloczek. Überhaupt hat POLO den Schritt auf die vermittelnde Ebene gemacht, er gibt seit 2013 Comic-Zeichenkurse, hielt 2013/14 ein Cartoon-Kolleg in der Galerie von Jürgen Grölle und dozierte 2014 bei der Sommerakademie für Komische Kunst in Kassel.
Wenn POLO nicht zeichnet greift er zur Entspannung zur E-Gitarre greift (Rock/Blues). Was ihm gegen den Strich geht? „Die äußerst unangenehme Vorstellung, mal keinen Stift und kein Papier bei sich zu haben.“  


Känguruhu © André Poloczek
 
Cartoons, Karikaturen, Comics und Illustrationen erschienen bisher u.a. in: Der Rabe, Die Mitbestimmung, Eulenspiegel, Finanztest, Frankfurter Rundschau, GEO Saison, iTALien, Konkret, Kowalski, mare, Maxi, Stern, Süddeutsche Zeitung, taz, titanic, Nebelspalter, Top Magazin, Wuppertaler Rundschau, ‘ran, x-mag, metallzeitung, Rat Aktuell und in den Musenblättern.
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen u.a.: Deutscher Karikaturenpreis Dresden (seit 15 Jahren regelmäßig), 4. Triennale Greiz, Kunst in der Karikatur, Mannheim, Caricatura Kassel, Ironimus, Köpenicker und Berliner Karikaturensommer (1992-’98), „Frag Papa!“ Berlin, Hann. Münden und Riesa, Lichtenberg Connection, „Zeichenlust und Kartengier“, München, Speyer, Neuss, 1. Österreichisches Karikaturenfestival 1999, Feldkirchen, „Schreckliche Bilder“ Berlin, Cartoonair am Meer 2007-2011, Zahlreiche Cartoon-Postkarten, Buchillustrationen und Veröffentlichungen in Cartoon-Sammelbänden und -Kalendern.
Noch bis 25. Mai ist im Wilhelm Busch-Museum Hannover eine von WP Fahrenberg kuratierte Ausstellung zum Leben und Werk von Georg Christoph Lichtenberg zu sehen, an der sich die Crème der deutschen Cartoonisten beteiligt, POLO ist natürlich dabei.


Polos Pinsel - Foto © Frank Becker
 
Preise:
1994 Sonderpreis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin beim ‚Köpenicker Karikaturensommer‘ , Dritter Preis beim ‚Ironimus ‘94‘
1996  Erster Preis beim ‚Berliner Karikaturensommer‘
2002 2. Platz beim „Deutschen Karikaturenpreis“ der Sächsischen Zeitung


© André Poloczek
 
Weitere Informationen unter: www.polo.cartoon.de