Der Spott der kleinen Dinge

Zähne

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Zähne
 
Neulich habe ich Zahngold verkauft. Neuerdings mache ich alles zu Geld. Ich trenne mich wie verrückt. Früher habe ich gehortet: Hemden, die nach der Konfirmation zu passen aufgehört haben, Liebesbriefe aus der Zeit, als Kuss noch mit »ß« geschrieben wurde, abgelaufene Kidneybohnen. Dann las ich ein Buch, das behauptet, wir Menschen hingen zu sehr an Dingen. Das Buch hat mein Leben geändert. Jetzt muß alles raus. Auch Zahngold.
    Ich suchte im Branchenbuch nach einem Interessenten. Zahngoldkäufer ist kein geschützter Beruf (vergleichbar mit Kammerjäger oder Journalist), aber ich bin findig. Eine Frau, die sich laut Eintrag auf Hummelfiguren und Zahngold spezialisiert hatte, lud mich in einer Art Deutsch zum Besuch. „Wie geht das?“, fragte ich. „Bringen Zahn, dann Geld!“, sagte die Frau und hustete in den Hörer. Ich dachte, wow, endlich spricht der Gott des Kapitals Klartext. Zum Teufel mit den Sprechblasen der Middelhoffs und Ackermanns: „Bringen Zahn, dann Geld!“ – so läuft das auf den Märkten der Welt.
    Als ich nach dem Gold suchte, rief meine Mutter an. Ich ging dran, suchte aber weiter. Wenn man sich seit 44 Jahren kennt, muß man kein schlechtes Gewissen haben, weil man beim Reden noch was anderes macht. Meine Mutter war bester Laune. Sie machte erst einen deftigen Witz über Sarkozy, dann kam sie auf den Papst. „Jetzt hat er mit Astronauten telefoniert. Was das wieder kostet!“
    Ich versicherte meiner Mutter glaubhaft, daß der Vatikan gewiß eine Flatrate habe. Ich hielt ein kenntnisloses Kurzreferat über Anbieterwechsel in hohen Kirchenkreisen. Sie lachte unsicher, ließ aber nicht locker: „Schöner Papst. Lebt hinterm Mond und telefoniert mit Astronauten!“ Der Witz war besser als der über Sarkozy. Ich legte auf. Das Gold brachte 50 Euro. Ich kaufte ein Hemd, das mir paßt.
 


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.