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Hape Kerkeling - „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Achtung, Blödenwanderung!

„Ich bin dann mal weg -
meine Reise auf dem Jakobsweg“
von
Hape Kerkeling
 
 
Liebe Leser!
Der Hape ist ja n total netter Typ. Ich kenn den jetzt nich. Aber sagt man ja so. Er hat aber auch so seine Marotten. „Ich bin dann mal weg“. Tja. Und selten hat der Titel eines Buches den Zustand seines Autors so treffend auf’n Punkt gebracht.
Nein, nein, meine Damen und Herren, kein Mensch hat was gegen das Wandern. Nicht mal gegen das Rumlatschen an zwei Ski-Stöcken mitten im Sommer und mitten in Köln, Gelsenkirchen, Wanne-Eickel oder sonst wo, in Landschaften mit Null-Gefälle oder überhaupt keiner Steigung. Niemand lacht – alles mittlerweile voll normal. Und sagt man dann zu so ’nem Mitbürger, der einem mit seinen Dingern auf dem Bürgersteig entgegentackert: „Ja, nee, is’ klar, et soll ja heut’ auch noch Schnee geben,“ dann wird man von diesem Weltgeist milde lächelnd aus dem Weg getackert. Zu Anfang hatte ich ja nur gedacht, ich hätte 'ne Erscheinung. Aber wenn von 10 Leuten plötzlich 9 an Stöcken gehen,
dann wird man sehr einsam – und hält sich ohne diese kranken Krücken automatisch reif für die Klapse.
Und dieses Stadium haben wir nun erreicht: Am Tage seiner Erscheinung marschierte „Ich bin dann mal weg“ direkt aus dem Nichts auf Platz 1, und niemand, niemand wurde eingewiesen.

Glückauf! Unser Hape ist also gewandert; und – weil Witzschichkeit bekanntermaßen keine Grenzen kennt – nicht einfach blind durch die Gegend, sondern extrem. Nun hat ja der handelsübliche, dahergelaufene Extremwanderer beim Extremwandern oft äußerst extreme Begegnungen. Das müssen nicht unbedingt immer nur welche der 3. Art sein; die gibt es auch mit der eigenen Art, z.B. mit einem Yeti oder einem Yogi. So was liest sich dann flott weg und ist, wenn’s nicht grad der Yeti selbst geschrieben hat, heutzutag kaum noch der Rede wert. Pilgert jedoch ein Pilger den sogenannten „Jakobsweg“, die katholische Idiotenrennbahn nach Santiago de Compostela, muß vorher schon irgendwas Schlimmes mit ihm passiert sein. M.a.W.: Wer sich auf eine spirituelle Blödenwanderung begibt, den haben bestimmte Begegnungen bereits im Vorfeld aus der Bahn geworfen. Ob das im Fall von Hape nun die mit Rudi Carrell waren oder die mit Heinz Schenk oder einfach nur zwei, drei Bembel zu viel, ist letztendlich vielleicht auch wurscht. Wichtig ist, was hinten wörtlich rauskommt. Und Hape sagt:
„Ich würde mich selbst zum Beispiel als eine Art Buddhist mit christlichem Überbau bezeichnen.“
Gut, und da tippe ich dann doch mal eher auf die zwei Bembel zuviel. Aber wieso eiert jetzt so’n selbstbewußter Bembelbuddha mit seinem christlichem Überbau Hunderte von Meilen durch das wilde Takatukaland des toten Apustels Jakobus? Ganz einfach – Hape sagt:
„Wer erleuchtet werden will, muß wahrscheinlich erst einmal das Gegenteil erleben: die totale Verfinsterung.“
Die totale Verfinsterung! Na, da freut sich aber der spanische Touristenverband über diese tolle Gegendbeschreibung!
Über lange, weite Strecken seiner unwahrscheinlichen Geschichte, vor allem am Anfang, am Ende und im Mittelteil, wurde ich das Gefühl nicht los, daß die Phase dieser Verfinsterung bei Hape äh ..., oder sagen wir mal so: daß da wohl ein Bembelchrist mit schwerem Buddhahau mehrmals am Tag von seinen eigenen Tassen im Tabernakel überholt worden sein muß. Die „Evi“ z.B., eine in ganz alten tibetanischen Lebertran geplumpste Wandermaus aus dem Erzesoterischen, eine quasi mehrtägige Begleiterscheinung von Hape, konnte, wie Hape sagt, „nicht nur Karten legen, sondern auch Stimmen hören“. Huhuhuhuh! Und Hape sagt: „Diese Frau ist wirklich die wandelnde Weisheit. Vielleicht sollte ich noch erklärend hinzufügen“, fügt Hape erklärend hinzu, „daß Evi nicht etwa Stimmen im eigentlichen Sinne hört, sondern eher so etwas wie einen inneren Lichtwind verspürt, dem sie quasi von den Lippen abliest.“
Naja. Und es wird auch wohl so’n innerer Wind gewesen sein, der den Hape diesen Satz hier hat machen lassen:
„Ich schaute mir die Reliquie in einer Dorfkirche an – einen Dorn aus der Krone Christi.“ Pieks mich, ich bin der Frühling!

Meine Damen und Herren,
Sie müssen mich jetzt nicht bemitleiden. Ich lese solche Bücher gerne. Und weil ich so gesehen schon einige Übung damit habe, kann ich mitt­lerweile sogar die Uhr danach stellen, wann in solchen Werken die Story mit der Wiedergeburt kommt. Und, voi­la! Punkt Seite 193 kam se auch … (Äh. Ehrlich gesagt: Ich hatte mit 2 Seiten eher gerechnet. Egal.) Interessant an diesen Wiedergeburtsfällen ist für mich dann immer nur, wat diese Lappenclowns in ihrem früheren Leben denn so gewesen sein wollen. Und unser Hape macht da ’n ganz neues Faß auf! Er hätte nämlich „während des 2. Weltkriegs als polnischer Franziskanermönch in der Nähe von Breslau gelebt, und dort im Kloster eine jüdische Familie versteckt“.
Polnische antisemitische Franziskanermönche und Juden verstecken! Super! Eins und Eins können wegen mir 88 sein, aber dat geht gar nicht. Und dann die Pointe: Daß er und seine tollen polnischen Antifa-Mönche daraufhin „von der Wehrmacht erschossen worden“ seien. Heißa! Beim zerbissenen Teppich von Adolf Hitler! Das kann nu’ mal über­haupt nicht sein! Selbst die doofe Wehrmacht hätte so was nicht für möglich gehalten! Aber is vielleicht auch völlig wurscht.

Meine Damen und Herren!
Diese Wiedergeburtsnummer geisterte ’ne geschlagene Woche durch die BILD-Zeitung. Am 7. Tage aber geschah ein großes Interview, und Hape wurde gefragt:
„Herr Kerkeling, haben Sie auch mal Menschen getroffen, die Sie für einen Spinner halten?“
Und Hape sprach:
„Nein. Die Reaktionen waren durchweg positiv.“
Fassungslos, doch guter Dinge forschte der BILD-Zeitungsmann weiter:
„Wollen Sie jetzt noch mehr über Ihr früheres Leben erfahren?“
Und – wat meinen se, wat der Hape darauf gesagt hat? Da kommen Sie nicht drauf!
„Nein,“ hat der Hape da gesagt. „Noch mehr Beweise würden mich eher skeptisch machen.“
Da lob ich mir doch den Daniel Küblböck, der über sein früheres Leben aussagte, er wäre „vor ca. 2000 Jahren ein Kameltreiber in Palästina gewesen.“
Däh! Nun soll noch einer über den Küblböck lästern!

Nachtrag:
„Ich bin dann mal weg“ ist übrigens das meistverkaufte Sachbuch in der Geschichte der Bundesrepublik: 2 Millionen 700 000 Stück! ..... Weg! Einfach so! Pfffft .... weg! "Die Zeit", das neuerdings zu wilden Scherzen aufgelegte Fachorgan für Gesamtschullehrer aus dem furztrockenen Hamburg, meinte dieser Tage dazu:
„Irgendwie hat dieser Megaerfolg auch etwas Trauriges.“

Redaktion: Frank Becker