Misery
Die tägliche Telenovela, die Seifenoper im Fernsehen, unterhält in ungezählten Variationen rund um den Globus Millionen von Menschen, ersetzt für viele Einsame, sicher eine Mehrzahl Frauen darunter (denn für sie werden diese schrecklichen, endlosen Fortsetzungsgeschichten mit Tausenden von Folgen ja überwiegend gemacht) die Wirklichkeit. In eine solche Telenovela „Hey Chica!“ und ihren Helden Mariano (Maurice Kaeber) haben sich die beiden seelisch wie sexuell vertrockneten späten Mädchen Griselda (Marlene Meissner) und Rosalia (Sarah Kocherscheidt) sterblich verliebt. Sterblich, weil sie im Lauf der Geschichte, die Jens Kalkhorst auf die Bühne des Wuppertaler TTT gebracht hat, ein Wechselbad ihrer Gefühle erleben werden.
Keine Folge der schmalzigen Story lassen sie sich entgehen, der Nachmittag gehört Mariano und seiner herrlichen Männlichkeit. Ansonsten aber kocht zwischen den von einem ungünstigen Schicksal zusammengeschweißten Frauen mal unverhohlener Haß, mal flüchten die beiden von Amor Verschmähten in die Illusion einer tiefen lesbischen Liebe. Um ihrem Leben eine Wende zu geben, entführen sie den Schauspieler, um sich damit die vermeintliche Wirklichkeit und körperliche wie seelische Liebe zu holen. Daß es mißlingen muß, liegt auf der Hand. Bedauerlicherweise überziehen Marlene Meissner und Sarah Kocherscheidt ihre eigentlich viel leise Dramatik bergenden Rollen fast durchweg allzu schrill – einzig in wenigen Momenten des Monologs berühren sie wirklich. Maurice Kaeber hingegen gelingt sein Part einfühlsam.
„Herbstzeitlose“ von Diana Raznovic ist ein schrecklich trauriges Stück über drei gebrochene Menschen, denn auch Mariano stellt sich als einsam und verloren heraus. Es als Komödie anzubieten, geht am Ziel vorbei und lockt das falsche Publikum ins Theater – letzteres bei der ausverkauften Premiere am Samstagabend deutlich zu spüren an den peinlichen Lachern an den falschen Stellen (wenn das Wort „schwul“ zum Schenkelklopfer reicht, zeigt das Publikum ein ganz flaches Niveau) und noch peinlicheren Zwischenrufen ausgerechnet aus weiblichem Mund („Ausziehen!“). Da muß man schon ernsthaft am Begriffsvermögen einiger Theaterbesucher zweifeln.
Komödie von Rang und wirklich witzig sind die filmischen Einspieler von der Qualität tatsächlicher lateinamerikanischer Telenovelas, in denen Kaeber, Angela del Vecchio, Jens Kalkhorst und eine namentlich nicht genannte Darstellerin glänzen. Das Ganze ist kein großer Wurf, wirkt in einem geradezu scheußlichen Bühnenbild von Rüdiger Tepel ein wenig übers Knie gebrochen und birgt auch etliche logische Brüche - hat aber dennoch seine ergreifenden und komischen Momente. Daß Stephen King 1987 ganz offensichtlich die Idee von Diana Raznovics 1986 uraufgeführtem Stück für seinen Roman „Misery“ abgekupfert hat, ist offensichtlich. Und noch was: wann wird man auf einem Theater endlich den Unterschied zwischen einem Revolver und einer Pistole begreifen?
Weitere Informationen: taltontheater.de
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