Der Spott der kleinen Dinge

Die Pizza vor dem Krippenspiel

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Die Pizza vor dem Krippenspiel
 
Neulich stand Weihnachten vor der Tür. Jetzt zucken alle Sprachpäpste zusammen, denn die Kombination von vor der Tür stehen und Weihnachten gilt in Kennerkreisen als sehr abgenutzt, vergleichbar mit dem Schwingen des Tanzbeins.
   Ich kann dem Bild viel abgewinnen: Wir lassen grundsätzlich niemanden rein, der vor der Tür steht. Um der Veranstaltung den Schrecken zu nehmen, verteile ich sie auf mehrere Monate. Mitte November lud ich eine Verwandte ins Kino ein. »Das ist dein Weihnachtsgeschenk«, sagte ich, »du kannst es nicht umtauschen, du mußt es nicht lesen, und es ist in deiner Größe!« Mit solchen Sätzen habe ich bei Frauen gute Erfahrungen gemacht. Diese ist neun, aber unter Zuschlag einer Pizza plus Freundin der Wahl funktionierte es.
   Der Film war interessant. Heike Makatsch spielte eine Tante, die in Fort Fun Marmelade kocht. Beim Pizza-Essen hatten wir andere Themen. Es ging um Supermodels, die zu dick für Bikinis sind, und das Krippenspiel. Nach zwei Anläufen, die in unbedeutenden Nebenrollen wie Verkündigungsengel und zweiter Hirte endeten, war es der Neunjährigen gelungen, die Rolle der Maria zu ergattern.
   Ich bat um eine Textprobe. »Es ist sehr viel Text«, sagte das Kind und sägte genervt an seiner Margherita, »ich habe noch nicht angefangen.« Ich bot ihr 5 Euro, wenn sie bei der Aufführung folgenden, im Rausch einer Diavolo mit doppelt Käse spontan gemeißelten Zweizeiler unterbringe: »Joseph, hol die Kinder rein; Herodes macht den Führerschein!« Sie lehnte ab, während ihre Freundin für das Krippenspiel die mir unbekannte Rolle der Traumzeugin forderte.
   Ich rief den Wirt und fragte die Mädchen, wer den Jesus spielt. Sie fragten: Wieso Jesus? Ich dachte an Models, an Maria und fand Weihnachten geheimnisvoller denn je.
 


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.