Frischwasser für das römische Köln (1)

Eine Herbstwanderung auf den Spuren des Römeraquädukts von Nettersheim nach Köln

von Rainer K. Wick

Foto © Rainer K. Wick
Frischwasser für das römische Köln (1)
Eine Herbstwanderung
auf den Spuren des Römeraquädukts
von Nettersheim nach Köln
 
 
Der Eifelkanal
 
Zu jeder Jahreszeit lädt die landschaftlich abwechslungsreiche Eifel dazu ein, Wälder und Wiesen zu durchwandern, Berge zu besteigen und durch Täler zu streifen und dabei interessante historische Orte, Kirchen und Klöster, Burgen, Schlösser und Museen kennenzulernen.

Zu einem ganz besonderen Erlebnis für Naturfreunde und zugleich kultur- und technikgeschichtlich Interessierte kann der Römerkanalwanderweg werden, der in der Eifel in der Nähe von Nettersheim beginnt und an der Peripherie Kölns endet. Zumal im Herbst, wenn die Temperaturen gemäßigt sind und die ausgedehnten Wälder ihr buntes Farbkleid anlegen, ist eine Wanderung entlang der einstigen römischen Wasserleitung, die täglich zwanzig Millionen Liter Frischwasser in die Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien transportierte, ein reizvolles Unternehmen, das gleichermaßen Körper, Geist und Seele anspricht.
In seinem am 23.09.2014 in den „Musenblättern“ vorgestellten, vierhundert Seiten umfassenden, in kürzester Zeit zum Standardwerk avancierten Buch „Aquädukte. Wasser für Roms Städte“ hat Klaus Grewe dem Eifelkanal allein hundertfünfzig Seiten gewidmet. Dieser ungewöhnliche Umfang resultiert nicht nur aus der Tatsache, daß der Autor als Mitarbeiter des Rheinischen Bodendenkmalpflegeamtes jahrzehntelang über die römische Wasserleitung nach Köln geforscht hat und insofern über ein nahezu unerschöpfliches Detailwissen verfügt, sondern auch und insbesondere aus der Bedeutung dieses größten Technikbaus der Römerzeit nördlich der Alpen.
Wurde Köln ab ca. 30 n. Chr. – damals noch „Ubierstadt“ (Opppidum Ubiorum) – zunächst durch Wasserleitungen aus dem stadtnahen Vorgebirge versorgt, reichten die Wassermengen später, also mit der Erhebung des Ortes zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) und der Erlangung des Status als Provinzhauptstadt, nicht mehr aus, so daß der Bau eines Aquäduktes aus der nördlichen Eifel in Angriff genommen wurde. Die Betriebsdauer dieser Fernwasserleitung wird auf rund 190 Jahre veranschlagt, bevor die Nutzung des Kanals infolge der zerstörerischen Frankeneinfälle zum Erliegen kam.

Man kann den mit dem markanten Symbol des Kanalquerschnitts vorbildlich ausgeschilderten Römerkanalwanderweg, der mit einer Länge von hundertfünfzehn Kilometern übrigens deutlich länger ist als der römische Kanal selbst es gewesen ist, in mehreren Tagesetappen komplett abwandern (Etappenvorschläge unter http://www.roemerkanal-wanderweg.de sowie im Wanderführer des Eifelvereins; siehe am Ende des Beitrags). Man kann aber auch die Highlights punktuell anfahren und in der jeweiligen Umgebung nach Belieben kleinere Wanderungen machen. Oft liegen die fraglichen Orte nur wenige Kilometer voneinander entfernt, sodaß sie sich zu Fuß sehr gut miteinander verbinden lassen.

Wegzeichen - Foto © Rainer K. Wick
Während die Entfernung vom Quellgebiet in der Sötenicher Kalkmulde bis nach Köln Luftlinie nur etwa fünfzig Kilometer beträgt, hatte der römische Eifelkanal eine Länge von fünfundneunzig Kilometer. Diese Verlängerung ergab sich aus der geländebedingt erforderlichen umwegigen Trassenführung. Da es sich bei diesem Aquädukt, wie bei den meisten Wasserleitungen im Imperium Romanum, um eine reine Gefälleleitung handelte, mußte vor allem die als Barriere wirkende Erhebung des Vorgebirges (Villerücken) großräumig umfahren werden. So verlief der Römerkanal – anstatt direkt in nordöstlicher Richtung nach Köln verlegt worden zu sein – zunächst nach Osten und knickte erst in der Nähe von Meckenheim in Richtung Norden ab.
 


Quellfassungen
 
Fünf Quellen speisten die römische Fernwasserleitung mit bestem, kalkhaltigem Frischwasser, das von den Römern besonders geschätzt wurde.

Grüner Pütz - Foto © Rainer K. Wick
Die Wanderung beginnt in einem Waldgebiet in der Nähe von Nettersheim unweit des Flüßchens Urft. Hier befindet sich als höchster Punkt des Römerkanals die Quellfassung Grüner Pütz.
Es handelt sich um ein rechteckiges Becken, in dem das aus dem Hang kommende, zunächst von einer Sickerleitung aufgenommene Quellwasser, das durch das unverfugte Mauerwerk eindringen kann, gesammelt wird. Über den ausgegrabenen Fundamenten wurde diese einstige Brunnenstube rekonstruiert und bietet heute mit den Eckreliefs, die zwei Medusenhäupter zeigen, ein anschauliches Bild, wie der Beginn der römischen Eifelwasserleitung früher möglicherweise ausgesehen haben mag. Die Medusenreliefs (Repliken) dürften im magischen Denken der Römer die Funktion gehabt haben, von der Quelle Unheil fernzuhalten.

Folgt man vom „Grünen Pütz“ dem Römerkanalwanderweg zunächst entlang der Urft und passiert man dann Sötenich, Kall und Keldenich, erreicht man nach ungefähr zwölf Kilometern östlich von Mechernich-Kallmuth eine weitere Quellfassung, die ebenfalls rekonstruierte

Römerkanal, Funktionsweise der Sickerleitung
Brunnenstube Klausbrunnen, eine gemauertes Becken auf rechteckigem Grundriß mit den lichten Maßen von 3,5 mal 5,8 Meter und einer Tiefe von etwa 3,0 Meter.
Neben dieser Brunnenstube, die auch das vom „Grünen Pütz“ kommende Wasser aufnahm, ist das kreisrunde Sammelbecken von Mechernich-Eiserfey zu erwähnen, in dem zwei andere Leitungsstränge der Eifelwasserleitung zusammengeführt wurden. Schutzbauten – im Falle des Klausbrunnens denkt man zunächst unwillkürlich an ein modernes Toilettengebäude an der Bundesautobahn – dienen dem Erhalt dieser architektur- und technikgeschichtlich bedeutsamen Spuren aus der Römerzeit.
 
Kanalaufschlüsse
 
Unterwegs stößt der Wanderer immer wieder auf sog. Kanalaufschlüsse, also auf Stellen, an denen der gemauerte und halbkreisförmig eingewölbte Römerkanal mit einem Normmaß von 0,7 Metern lichte Breite und 1,35 Metern lichte Höhe, der regulär unterirdisch frostfrei im Boden lag, sichtbar zu Tage tritt bzw. freiliegt.
Einige Kilometer hinter der Quellfassung „Grüner Pütz“, in der Nähe des DB-Bahnhofs Urft und unweit der Burg Dalbenden, passiert man den von mächtigen Buchenwurzeln gleichsam strangulierten Leitungsaufschluß Kall-Dalbenden. Interessant ist diese Stelle vor allem deshalb, weil sich unterhalb der Kanalrinne und quer dazu ein größerer Durchlaß befindet, der die Funktion hatte, den Römerkanal vor Unterspülung zu schützen, wurde hier doch das bei starken Regenfällen oder bei Schneeschmelze anfallende Oberflächenwasser talseitig abgeführt.


Römerkanal, Aufschluß Kall-Dalbenden - Foto © Rainer K. Wick

Einem der interessantesten Aufschlüsse begegnet man in Mechernich-Breitenbenden, wo man sehr gut den negativen Abdruck des Lehrgerüstes auf der Unterseites des reichlich mit Gußmörtel zementierten Gewölbes (opus caementicium) erkennen kann. Und eine besondere Rarität sind die im Putz sorgfältig ausgeführten Zierfugen, die sich im Inneren der Leitung befinden und die fast zwei Jahrtausende den Blicken entzogen waren,

Römerkanal, Mechernich-Breitenbenden
Foto © Rainer K. Wick
bis sie 1900 Jahre später die Archäologen erstmals zu Gesicht bekamen – Dokument eines Handwerksethos, das uns Heutige nur staunen läßt.
Zahlreiche Kanalaufschlüsse, denen man in den Eifelwäldern entlang des Römerkanalwanderwegs auf Schritt und Tritt begegnen kann, lassen im Inneren der Rinne eine weitere Besonderheit erkennen, nämlich mächtige Kalksinterablagerungen, die sich im Laufe der fast zweihundertjährigen Betriebszeit der römischen Fernwasserleitung gebildet haben – so etwa in Mechernich-Breitenbenden und ganz besonders eindrucksvoll in Euskirchen-Kreuzweingarten, wo im Endstadium der Kanalnutzung die Durchflußweite auf der Sohle nur noch zwölf Zentimeter betrug. Im Mittelalter wurden dieses Sintermaterial systematisch abgebaut und wegen der schönen, lebendigen Maserung als „Aquaduktmarmor“ zur Herstellung von Säulen, Altarverkleidungen, Grabplatten und Bodenbelägen genutzt, und zwar nicht nur im Rheinland, sondern auch in anderen deutschen Regionen, in den Niederlanden, in England, Dänemark und Schweden.
 
Lesen Sie Teil 2 der Wanderung am kommenden Samstag an dieser Stelle.


Alle Fotos © Rainer K. Wick; die Karte der Eifelwasserleitung und die schematische Darstellung der Sickerleitung am „Grünen Pütz“ nach Schautafeln am Römerkanalwanderweg.