Gegensätze ziehen sich an

Bill Watterson – „Calvin und Hobbes – Von Ferien, Fischen und fiesen Mädchen“

von Frank Becker

© Carlsen Verlag
Gegensätze ziehen sich an
 
Mit „Calvin und Hobbes“ hat Bill Watterson einen der
genialsten Comics der Geschichte kreiert
 
Daß er Charles M. Schulz´ (Peanuts) und Walt Kellys (Pogo) Zeichengeschichten quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat, ist Bill Wattersons hinreißenden Comic-Strips um den Grundschüler Calvin und seinen Stofftiger Hobbes zweifelsfrei anzumerken. Doch siedelt er die philosophischen Gedankenflüge seiner Protagonisten den historischen Vorbildern angemessen durchaus eine Ebene höher an. Johannes Calvin (1509-1564) - unbedingter Verfechter der klerikalen Macht (alle Macht der Geistlichkeit) und Vertreter strenger Kirchenzucht, ein christlicher Fundamentalist, der etliche Leute auf den Scheiterhaufen brachte, dient Watterson als philosophischer Ansatz für die radikalen Thesen seines Calvin – allerdings nur so lange, bis ihn mütterliche Autorität, mit Augenzwinkern dick aufgetragene väterliche Lügengeschichten oder pädagogische Strenge aus dem Weltall, der Kreidezeit, seinen Allmacht- oder ganz einfach nur aus seinen kindlichen Tagträumen zurück auf den Boden der Tatsachen holen. An Calvins Seite steht als Freund, aber auch streitbarer Gegenpol sein Stofftiger Hobbes, der ihn durch seine Träume begleitet wie einst Puka Harvey seinen Freund Elwood P. Dowd. Hobbes Charakter lehnt sich an den von Thomas Hobbes (1599-1679) an, der als indirekter Denker der Freiheit, als Agnostiker und Ahasit Verfechter der Trennung von Staat und Kirche war, und das Macht- und Gewaltmonopol in weltlicher Hand sehen wollte. Hobbes zeigt Calvin – nicht immer - seine Grenzen auf stärkt ihm aber auch den Rücken und ist unverzichtbarer Teil der Selbsterziehung Calvins.

Calvins Auseinandersetzung mit Autorität (Lehrerin Frl. Wurmholz und Babysitter Rosalyn), mit muskelbepackter Dummheit (Moe), der Tücke des Objekts und der schäbig behandelten, doch heimlich verehrten Nachbarstochter Susi Derkins zeichnen sich nicht nur durch ihre unerhörte sprachliche wie philosophische Eloquenz aus. Bill Watterson zeichnet seine Geschichten mit genialer Feder nämlich selbst, gibt ihnen dadurch eine einzigartige Geschlossenheit. Man sollte aber sagen: gab, denn Watterson hat nach zehn erfolgreichen Jahren seit 1995 keine Calvin-Strips mehr gezeichnet. Die intelligenten Streifen sollten Tag für Tag in jedem gescheiten Feuilleton zu finden sein, wie es große US-Zeitungen vormachen, doch stehen viele deutsche Tageblätter noch immer dieser Form intelligenter Unterhaltung zu ablehnend gegenüber.
„Calvin und Hobbes“ gehört zum Besten, was nach den „Peanuts“ und vor „Zits“ je das Comic-Licht der Welt erblickt hat. Dafür unsere Auszeichnung, den Musenkuß.
 
Bill Watterson – „Calvin und Hobbes – Von Ferien, Fischen und fiesen Mädchen“
(Sammelband 3)
256 Seiten, Softcover  -  ISBN 978-3-551-78657-9
19,90 €
 
Weitere Informationen: www.carlsencomics.de  -  www.carlsen.de