Männer brauchen Grenzen

Der verzogene Einzelkindmann

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Der verzogene Einzelkindmann
 
Es wird Zeit, den theoretischen Exkursen ein Gesicht zu geben und konkret zu werden. In diesem Zusammenhang muß ich erwähnen, daß dieses Buch aus der Praxis entstanden ist. Schon lange therapiere ich durchschnittlich gestörte Männer  aus meinem Freundeskreis leidenschaftlich gerne selber, um die neue Richtung zu beeinflussen.
 
Einige meiner Patienten möchte ich Ihnen gerne vorstellen. Die Namen sind aus Gründen der kabarettistischen Schweigepflicht geändert. Günther möchte gerne anonym bleiben.
 
Der kleine Gerd (38) ist vielseitig interessiert. Er sammelt Spachtelmassen und Bohrmaschinen. 147 Bohrmaschinen hat er bereits, und er kann nicht verstehen, warum seine Freundin Andrea ihm die 148ste verweigert. Beim Besuch im Baumarkt kommt es zum Eklat: Gerd wirft sich hin, trommelt mit den kleinen Fäustchen auf den Boden und schreit. Er schreit so laut, daß alle gucken. In großer Panik legt Andrea gleich zwei Bohrmaschinen an die Kasse, damit der kleine Gerd Ruhe gibt. Er schreit jedoch weiter. Was läuft hier falsch?
A Die Bohrmaschinen sind nicht von Black 85 Decker.
B Die Bohrmaschinen sind von Black «Sc Decker.
C Gerd hat Hunger.
Sehen Sie: Schon wieder falsch gelegen! Nichts von alledem stimmt. In Wirklichkeit hat Gerd ein Männlichkeitsproblem und kompensiert sein mangelndes Selbstbewußtsein durch den Erwerb von überflüssigen Baumarktaccessoires (Phallussymbole). Eine gewagte These, für die ich noch nicht einmal mehrere Semester Psychologie studieren mußte. Noch nicht mal ein einziges Semester. Nein: Das zügige Leeren einer Flasche Rotwein sowie ein Besuch in der Wohnung von Gerd und Andrea haben ausgereicht, diese These solide zu untermauern: Holzvertäfelung, so weit das Auge reicht. Holzvertäfelung an den Wänden, Holzvertäfelung unter der Decke, holzvertäfelte Toilette, holzvertäfelte Badewanne, holzvertäfelte Küche, holzvertäfelter Garten, holzvertäfeltes Ehebett. Holzvertäfelte Küchenschränke, holzvertäfelte Müsliaufbewahrungsbecher, holzvertäfelte Teekanne. Es sickerte sogar im Freundeskreis durch, daß Andrea sich bereit erklärt habe, in Holzvertäfelung zu heiraten.
Sie wollte einfach keinen Streit.
 
WAS TUN?
 
Toleranz, Frauen, Toleranz. Gerd ist der bohrende Beweis für die Tatsache, daß man Männer nicht verändern kann. Sie sind letzten Endes nicht besser als ein gutes Steak: Man kaut stundenlang drauf rum und schluckt es doch als Brocken.
Erfahrungsgemäß wird der, der als Einzelkind geboren ist, auch als Einzelkind sterben.
Machen Sie also drei Kreuze, wenn sich seine Macken zumindest weitgehend auf eine infantile Leidenschaft für Bohrmaschinen beschränken. Gönnen Sie ihm einen Tag in seinem Hobbykeller. Loben Sie all die schönen Vertäfelungen. Vergessen Sie nicht: Unter Lob neigen Männer ohnehin zur Vernebelung; er wird Sie nicht durchschauen. Geben Sie Ihrem    Black&Decker-Mann immer Wieder eine neue, handfeste Aufgabe, eine Mission, eine Challenge: Deuten Sie diskret an, wie sehr sich die Schwägerin über ein holzvertäfeltes Stövchen freuen würde. Sollte das Verhältnis sich auch weiterhin nicht bessern, greifen Sie zum Letzten: Begrüßen Sie Ihren Liebsten in holzvertäfelter Reizwäsche. Wer nicht hören Will, muß spuren.
 
   
 
© Tina Teubner
Weitere Informationen: www.lappan.de