Kochmüller hat sub sigillo verlauten lassen (1)

Über die neue Barmer und Viersener Schule

von Christian Oelemann

Sub sigillo (1)
 
Kochmüller hat sub sigillo verlauten lassen, er wisse jetzt, wem er die auf niederträchtigste Weise an ihn, Kochmüller, herangetragenen Fragen nach M.M., hinter welcher Abkürzung sich, das wisse er nun, tatsächlich Maximilian ehemals Faxburger, nun aber Mailburger verberge, verdanke. Alle ihn, Kochmüller, seit Wochen und in einer geradezu penetranten Weise in puncto M.M. angegangen Habenden seien entweder verwandt oder verschwägert oder in einem Fall sowohl verwandt als auch verschwägert mit Klaus Keinfax, einem damaligen Bruder im Weingeiste, und das sei zwar nicht Beweis, wohl aber untrügliches Indiz für ihn, Kochmüller, in Keinfax, der übrigens durch Zweitheirat den Namen gewechselt und nunmehr wie sein amerikanisches Weib auf den Namen Mailer höre, indes keines Falls mit dem gleichbenamten Nobelpreisträger Norman zu verwechseln sei, obschon auch er (Klaus) ein Mann des spitzen Bleies sei, den Drahtzieher der M.M.- Belästigung zu vermuten. Ebenfalls hat Kochmüller durchblicken lassen, daß er, nachdem er das abgefeimte Spiel Mailers (Klaus, nicht Norman) durchschaut habe, von seiner (Kochmüllers) besonderen Begabung betreffend der Vortäuschung völligen Nichtverstehens und völliger Dummheit nun Gebrauch zu machen und den gewesenen Keinfax sowie dessen Verwandt- bzw. Schwagerschaft an den Rand der Fassunglosigkeit zu treiben mit seiner Ignoranz Maximilian Mailburger bzw. Fragen nach selbigem betreffend. Weder Mailer noch von Faxstatt, so Kochmüller, ginge es das Geschabte vom Käse an, nicht einmal im Geringsten, auf welche Weise er, Kochmüller, sich mit Maximilian Mailburger ins Benehmen setze.
Mit Mailburger verbinde ihn im Gegensatz zu Mailer oder dem Freiherrn eine Freundschaft, die er nicht anders als intensiv bezeichnen könne, da zwischen ihnen (Mailburger einerseits und Kochmüller andererseits) eine Geistesverwandtschaft vorherrsche (sic), die eine ganz außerordentliche sei. Während sowohl Mailer als auch der Freiherr ihrem unzureichenden Kenntnisstand zufolge die Beziehung zwischen Mailburger einerseits und Kochmüller, also ihm, andererseits für eine oberflächliche, womöglich flachgefallene Beziehung hielten, dabei immer wieder von den stringenten Verbalattacken Kochmüllers gegen Mailburgers Borchertenthusiasmus sowie Mailburgers Sottisen auf Kochmüllers Mannenthusiasmus einerseits, andererseits von den musikalischen Differenzen zwischen den beiden zuletzt in Rede Gestandenen, man erinnere sich gewiß lebhaft der Nacht der langen Schwerter, in der Mailburger mit seinem Petersonschwert auf Kochmüller eingeschlagen habe, dieser darauf hin sein Evansschwert gezückt und zurückgedroschen habe, beide damals in musketierischer Hoch– eventuell sogar Höchstform, man erinnere sich gewiß an jene Nacht, in der sich die damaligen Contrabattanden zum Schein – das sei ja das Salz an der Suppe, pro forma also, die Schädel mit ihren Peterson- bzw. Evansschwertern blutig geschlagen haben, ausgehend.
Pro forma habe sich Mailburger mit Kochmüller wegen Borchert duelliert, pro forma habe sich Kochmüller mit Mailburger wegen Thomas Mann geprügelt, immer nur, so Kochmüller, um das Publikum, bestehend aus dem Freiherrn und den Seinen sowie Keinfax, der heute Mailer heißt, und den Seinen, etwas vor-zu-machen und dabei im Grunde den höchstmöglichen Eigengaudi einzufahren. Schon damals nämlich, so Kochmüller, sei die Freundschaft zwischen Mailburger und ihm eine außerordentliche gewesen, und nur pro forma habe Mailburger die Neue Viersener Schule akademisiert, in der es um sämtliche das Klavierspiel Oskar Petersons betreffende Erfahrbarkeiten gegangen sei, woraufhin Kochmüller die Neue Barmer Evansschule gegründet und mit einem zusätzlichen Jarrettzweig ausgestattet habe. Alles Eigengaudi! Sei Mailburgers Neue Viersener Petersonschule schnell in den Medien ein häufig zitierter Begriff gewesen, so habe es Kochmüllers Neue Barmer Evansschule anfänglich schwer gehabt, nicht zuletzt wegen Hintertreibens des erwähnten Mailer, der damals Keinfax hieß. Erst, als Kochmüller neben dem Sonderzweig „Angewandter Jarrettismus“ einen weiteren, Sub- Sonderzweig „Zeitgenössische Mehldauerei“ errichtet und damit seinem Scheingegner Mailburger, der zur gleichen Zeit ebenfalls einen Sonderzweig „Mehldau“, allerdings in seinem Viersener Institut, das sich ja in Gänze dem Lebenswerk Oscar Petersons widme, aus dem Boden gestampft habe, sei auch die Presse auf Kochmüllers Neue Barmer Evansschule eingestiegen. Während Keinfax (d.i. Mailer) den akademischen sowie den Schwertkampf Mailburgers mit (d.i. gegen) Kochmüller vice versa für bare Münze genommen habe, sei der Freiherr vermöge seines blauen Bluts oder auch nur aufgrund Insiderinformationen aus dem Bestaunerkreis ausgestiegen und habe beleidigt sein Domizil nach Australien verlegt, wo er noch jetzt, so Kochmüller, der es wissen muß, lebe, übrigens noch stets ohne Rechner und Communicator.
 
Schon damals, so Kochmüller sub sigillo, sei die Übereinstimmung Mailburgers und ihm in Sachen Jazz eine nicht zu unterschätzende gewesen, die Geisteshaltung des einen habe auf geradezu vergnügliche Art und Weise mit der Geisteshaltung des anderen korrespondiert, weswegen ja der Streit um die Besetzung des Olympplatzes für Peterson (Neue Viersener) bzw, für Evans oder Jarrett (Neue Barmer Schule) ein Scheinstreit gewesen sei, in Wahrheit jedoch ein Keinstreit, da weder Peterson noch Evans noch Jarrett auf den bezeichneten Posten würden gehievt werden könnten (sic) und dies Mailburger und Kochmüller in nicht zu unterschätzender Geistesübereinstimmung in die Klauseln ihrer jeweiligen Schulsatzung, wenn auch unter Kleingedrucktem, aufgenommen haben. Schon damals, so Kochmüller heute, habe im Grunde eine tiefe gemeinschaftliche Verwurzelung bestanden, und die Gründungen einer Schule für Petersonfragen einerseits (Viersen) sowie in der Folge die einer Schule für Evansfragen (Barmen) seien eine aufs Große und aufs Ganze angelegte Gemeinschaftsaktion Mailburgers und Kochmüllers gewesen, was eigentlich evident hätte sein müssen, habe man es nicht bedauerlicherweise immer wieder und im zunehmenden Maße mit Geisteskrüppeln zu tun, deren Existenz sich offensichtlich in Schubladenkrämerei zu berechtigen versuche. Sowohl Mailburger als auch Kochmüller haben, darauf lege er, Kochmüller, den allergrößten Wert, immer wieder darauf hingewiesen, daß die Olympplätze nicht von Statthaltern einer Geisteshaltung besetzt (bzw. bei Vakanz der Nebenplätze belegt) werden können, sondern nur durch die Geisteshaltung selbst. Im Grunde habe sowohl das Viersener als auch das Barmer Institut in gemeinschaftlicher Weise, wenn auch mit leicht abweichenden Argumenten, für den Jazz an und für sich (Hegel) votiert, nichts anderes sei Mailburger und Kochmüller im Sinn gewesen mit den Gründungen ihrer eigenen Schulen in Viersen und Barmen.



© Christian Oelemann
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