Jagatee

Das Geheimnis eines Wintergetränks wird gelüftet

von Theo Reisner

Foto © Theo Reisner

Jagatee, Jagertee oder Jägertee :
Das
Getränk zum „Original Einkehrschwung“
 

(Ein Geheimnis wird gelüftet)


Um die Schreibweise zu streiten lohnt nicht, denn alle drei Varianten sind laut EU-Staatsvertrag mit den Österreichern erlaubt. Die haben ihren Stimmungs- und Umsatzbringer beizeiten als „originäres Produkt“ in den europäischen Getränkekodex eintragen lassen.


Begonnen hat ja alles recht einfach: In Jagdkreisen war es schon im vergangenen Jahrhundert der Brauch, stark aromatisiertem Schwarztee ein „Stamperl“ Schnaps oder Rum (oder beides) beizumengen. Der inzwischen bekannte Herr Sebastian Stroh aus Klagenfurt wies in einem Inserat von 1864 auf seinen „Jagdtrank“ hin und dokumentierte damit den Schritt zum Industrie-Produkt. Alle Spuren der Geschichte führen übrigens nach Tirol und Vorarlberg. Der Streit, ob frisch zusammen gemischt oder eine Essenz mit der drei- bis fünffachen Menge heißem Wasser verdünnt werden soll, geht ins zweite Jahrhundert.

Die Art der Zubereitung läßt aber noch keine zuverlässige Aussage über die Qualität zu. Ein minderwertiger Obstler mit Billig-Tee und Rum unbekannt-karibischer Herkunft wird auch durch Erhitzen nicht besser, man bemerkt es nur später - etwa an den Kopfschmerzen. Da kann der Wirt das angebliche Geheimrezept seines Urgroßvaters beschwören, soviel er will. Heute gebräuchliche Konzentrate wurden vor 25 Jahren erstmals von der Familie Freihof in Lustenau nahe Bregenz zusammengebraut. Hüttenwirte wollten von den Spirituosen-Vertretern Essenzen für Jagatee, Glühwein und Punsch haben, um zu gleichbleibender Qualität, einfacher Zubereitung und sorgenfreier Lagerung zu gelangen. Drei Zubereitungsarten sind gebräuchlich: Die Verdünnung von Industrie-Essenzen, das Mixen eigener Konzentrate (zugleich Anreiz, erhebliche Teile des Umsatzes am Finanzamt vorbei fließen zu lassen), und das Anreichern vorhandener „Basics“ mit Obstler, Rum oder Rotwein unmittelbar vor dem Servieren. Zum Inhalt: Alkohol spielt mit, keine Frage. Sein Prozentanteil mit durchschnittlichen 12-15 von Hundert wird wegen der heißen Dämpfe meist überschätzt. Maßgeblich für den Geschmack ist das Schnaps-Niveau - ausgewählte Äpfel, Birnen und Zwetschgen müssen mit dem ganzen Fruchtfleisch vergoren werden und frei von Zusätzen bleiben.

Ein erstklassiger Obstler erspart nachweislich den Zusatz von Duftstoffen und Fruchtauszügen. Hochwertiger Schwarztee will mit Zimt, Gewürznelken, Fruchtauszügen (vor allem Orange und Zitrone), Wasser und Zucker abgeschmeckt werden. Der alkoholische Teil aus Obstler -  mit Rum oder Wein abgerundet - reagiert auf Hitze durch Verdampfen und wird deshalb getrennt zubereitet. Probieren geht wieder übers Studieren und das Jagatee-Rezept gibt es genauso wenig wie den Einheits-Konsum. Immerhin war Jagatee-Konzentrat mit Eiswürfeln das In-Getränk des Schweizer Winters 06/07 (nur für geübte Einkehr-Schwinger)!


Foto © Theo Reisner

Mal ausprobieren:
Ein Rezept zum Ausprobieren vom Wirt Sigmund Eppensteiner aus Navis bei Innsbruck: Je ein halber Liter Weißwein und Rotwein (leichte Sorten) einem halben Liter Schwarztee zusetzen. 2 Stamperl Stroh-Rum, 1 Stamperl Cognac, 1 Stamperl Obstler und eine Zimtrinde, ca. 1 cm, dazugeben. Einmal ganz kurz aufkochen und mit reichlich Zucker und wenig frischem Zitronen- und Orangensaft abschmecken. Auf Trinktemperatur im Schnee abkühlen (falls im Winter 07/08 vorhanden).


© Theo Reisner - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007