Ist das Kunst, oder kann das weg?

Karin Neuhäusers hinreißende Inszenierung von „Was ihr wollt“

von Frank Becker


Ist das Kunst, oder kann das weg?
 
Shakespeares hirnrissige Verwechslungskomödie
„Was ihr wollt“
in einer hinreißenden Inszenierung von Karin Neuhäuser
Deutsch von Thomas Brasch
 


Inszenierung: Karin Neuhäuser - Bühne: Gralf-Edzard Habben -  Kostüme: Tina Kloempken -  Musik: Matthias Flake - Fotos: A.Köhring
Besetzung: Narr: Volker Roos - Orsino: Albert Bork - Viola: Theresa Rose – Kapitän Antonio: Rupert J. Seidl - Sir Toby Rülps: Fabio Menendez - Sir Andrew Bleichenwang: Klaus Herzog - Olivia: Simone Thoma - Maria: Gabriella Weber - Malvolio: Steffen Reuber - Sebastian: Marco Leibnitz – Am Klavier: Matthias Flake
 
Karin Neuhäuser fand im Shakespeare-Jubeljahr mit ihrer kräftig gestrichenen Inszenierung die denkbar beste Lösung für die höchst komplizierte

Theresa Rose, Volker Roos - Foto © A. Köhring
Liebes- und Verwechslungs-Komödie „Was ihr wollt“ William Shakespeares - die Wolfgang Körner „eine hastig hingeschluderte Auftragsarbeit“ und eine „reziproke Charlys Tante aus dem 17. Jahrhundert“ nennt, der Thomas Brasch eine ungemein witzige Neufassung mit erlesenen Tropfen Pointen, Hamlet-Zitaten, sowie Seitenhieben gegen Joseph Beuys und Damien Hirst gegeben hat - und die am vergangenen Mittwoch als Gastspiel des Theaters an der Ruhr im Teo Otto Theater zu sehen war.
 
Zufälle aber auch…
 
Schon beim Versuch einer griffigen Inhaltsangabe sträubt sich im Grunde die Feder: Das sich in enger Verbundenheit zugetane Zwillings-Geschwisterpaar Viola und Sebastian geht mit einem Schiff unter, jeder glaubt den anderen ertrunken. Viola (Theresa Rose) wird an den Stand Illyriens gespült, verdingt sich in männlicher Verkleidung (keiner weiß, warum) als Cesario beim Herzog Orsino (Albert Bork) und verliebt sich stantepede in ihn. Der wiederum wirbt voller Sehnsucht, doch vergebens um Gräfin Olivia (vielseitig: Simone Thoma), die sich ihrerseits in den als Liebesboten eingesetzten vermeintlichen Cesario verliebt. Ihr versoffener Onkel Sir Toby Rülps (derb: Fabio Menendez) will sie mit dem völlig verblödeten Sir Andrew Bleichenwang (urkomisch: Klaus Herzog) verkuppeln, unterstützt vom schrillen Kammerkätzchen Maria (Gabriella Weber). Mit von der Partie sind noch ein großartig entspannter Narr (Volker Roos als heimlicher Star) und Haushofmeister Malvolio (wundervoll: Steffen Reuber), der heimlich für Olivia schwärmt. Aber Auch Violas Bruder Sebastian (Marco Leibnitz) wurde gerettet, gelangt mit Hilfe eines gutmütigen Kapitäns (Rupert J. Seidl) - raten Sie mal wohin: Richtig, ebenfalls nach Illyrien. Was für ein Zufall. Er und  Viola werden in der Folge multipel miteinander verwechselt, schließlich kriegt Viola ihren bekehrten Orsino und Sebastian seine Olivia. All´s well that ends well...
 
Der Narr auf der Mauerkrone
 

Simone Thoma - Foto © A. Köhring
Ist doch wirklich eine hirnverbrannte Geschichte. Die aufzudröseln kann gleichermaßen schwierig wie lustvoll sein. Karin Neuhäuser hat sich erfolgreich für die lustvolle Variante entschieden. Dabei hat das ideenreiche Bühnenbild Gralf-Edzard Habbens mit dem Mond über Illyrien wesentlich beigetragen. Schon mit dem genialen Einfall, Viola über eine Mauer klettern, dann pitschnaß einer Beuys-Badewanne „No veritas“ und nicht dem Meer entsteigen zu lassen, war klar: das wird witzig. Dafür stand auch der Narr auf der Mauerkrone, der weise-ironisch kommentiert und den roten (Ariadne)Faden in den Händen hält. Roos legte seinen gelassenen Feste superb an. Dazu Eisenbahngleise mit einer symbolischen Weiche und holprigem Schotter, die auf den Wegen zueinander stets überwunden werden mußten. Beinahe ein Jammer Theresa Roses Wandel vom verdammt gut gebauten Mädchen zum forschen Burschen, gelungen ihre Zerrissenheit der Figur, in der Folge die mannigfaltigen hetero- und homo-erotischen Verstrickungen mit Küssen, die nicht sein dürfen und solchen, zu denen es nicht kommt.
 
Komödiantische Höhepunkte
 
Einige der vielen Höhepunkte des Abends wurden Olivias grandios plakative Verführungsversuche als liebestolle Gräfin und Steffen Reuber in der dankbaren Rolle des düpierten Malvolio. Komödiantische Kabinett-Stücke seine Brief- und seine Strumpf-Szene - ein gehemmter Stenz von ungelenker Leidenschaft, bricht er durch eine vermeintliche Einladung zum Tête-a-tête mit allen Regeln, macht sich zum Narren in kanariengelben Strümpfen und läßt mehr mitleiden denn über ihn lachen. Tragische Komik mit Tiefgang. Köstlich auch die Punsch-Wortspiele, die Thomas Brasch für Bleichenwang und Rülps erfunden hat.
 
Angemessener kann man Shakespeare nicht aufführen. So, genau so möchte man die schwer verdaulichen Shakespeare-Komödien sehen Matthias Flake am Klavier und diverse Gesangseinlagen machten die Sache rund. Tosender Applaus, anhaltende Bravi und glückliche Gesichter im „punschlos glücklichen“ Publikum legten davon Zeugnis ab. Gleichzeitig hat Karin Neuhäuser es geschafft zu zeigen, wie weh unerwiderte Liebe tut – dankenswert weit über Shakespeares Intention hinaus.
 
Weitere Informationen:  www.theater-an-der-ruhr.de