Bühne frei für die Clowns!

Christian von Treskow inszeniert in Wuppertal „Viel Lärmen um nichts“

von Daniel Diekhans

Foto © Uwe Stratmann

Bühne frei für die Clowns!
(Ein Abschied mit Alberheiten)

„Viel Lärmen um nichts“. Komödie von William Shakespeare.
Deutsch von Frank Günther.
Bühnenmusik von Erich Wolfgang Korngold
 
Inszenierung: Christian von Treskow - Bühne: Jürgen Lier - Kostüme: Kristina Böcher - Licht: Fredy Deisenroth - Fotos: Uwe Stratmann
Besetzung: Beatrice (Julia Wolff) – Hero (Anne Simmering) – Don Pedro (Markus Haase) – Benedikt (Marco Wohlwend) – Claudio, Conrad (Jakob Walser) – Don Juan, Holzapfel, Mönch (Heisam Abbas) – Leonato (Jochen Langner) – Antonio, Borachio (Thomas Braus) – Balthasar, Schreiber (Philipp Werner) – Margarethe (Hanna Werth) – Ursula, 1. Wache (Sebastian Weisner) – 2. Wache, Bote (Heiko Voss)
Sinfonieorchester Wuppertal - Musikalische Leitung: Tobias Deutschmann
 
 
Christian von Treskow inszeniert „Viel Lärmen um nichts“ als Clownerie mit Musik
 
Shakespeares „Viel Lärmen um nichts“ ist ein komisches Verwirrspiel. Schlagfertig tauschen Männer und Frauen – allen voran Beatrice und Benedikt – eindeutige Zweideutigkeiten aus. Ständig verhört oder versieht sich jemand. Und aus all diesen Mißverständnissen spinnt Bösewicht Don Juan eine Intrige, an der das Brautpaar Hero und Claudio fast zerbricht. Passend zu William Shakespeares 450. Geburtstag wählte Intendant Christian von Treskow diese Komödie der Irrungen, um sich vom Wuppertaler Publikum zu verabschieden. Daß die Premiere von „Viel Lärmen um nichts“ zur echten Sternstunde wurde, lag nicht nur an der effektvollen Bühnenmusik von Erich Wolfgang Korngold, mit der das Sinfonieorchester Wuppertal die Handlung untermalte. Als Clou erwies sich der Einfall, den häufig inszenierten Klassiker ganz den Clowns zu überlassen.
 
Groteske Körperlichkeit
 
Spaßmacher tauchen in fast allen Shakespeare-Dramen auf. Regisseur Christian von Treskow aber ging einen Schritt weiter, indem er sämtliche Figuren – vom Prinzen bis zur Kammerfrau – in Clowns verwandelte. Dabei folgten die von Kristina Böcher entworfenen Kostüme dem Prinzip grotesker Körperlichkeit. Eingekleidet in unförmige Fettanzüge, trugen die zwölf Schauspieler Schmerbäuche und Buckel, breite Schultern und Hintern unter schreiend bunten Klamotten zur Schau. Don Pedro (Markus Haase) erschien als Zirkusdirektor in roter Galauniform, Beatrice (Julia Wolff) als Artistin in Violett und Türkis. Die Ganzkörperanzüge boten auch Schutz, wenn der eine oder die andere – wie improvisiert – Purzelbäume schlug, stürzte oder sich im Handstand übte. Hinter greller Schminke und unvermeidlicher roter Nase waren selbst Publikumslieblinge wie Thomas Braus kaum zu erkennen.


Foto © Uwe Stratmann
 
6 nach 12
 
Im scheinbaren Gegensatz zur farbigen Zirkuswelt standen Bühnenbild und Musik. Schauplatz des Geschehens war ein von Bühnenbildner Jürgen Lier in schlichtem Weiß gehaltenes Schwimmbad. Ein öffentlicher Ort, in dem die perfekt maskierten Clowns beim Schwimmen und Kneipen mehr von sich zeigen mußten, als ihnen lieb sein konnte. Die stehengebliebene Uhr zeigte nicht fünf vor zwölf, sondern genau sechs nach zwölf an. Vielleicht eine Anspielung auf das Ende der Intendanz von Treskows. Vielleicht auch nicht. Und was hatten die japanischen Schriftzeichen über dem Eingang der Badeanstalt zu bedeuten? Entlarvend im besten Sinne wirkte auch die Musik, die der spätere Filmkomponist Korngold 1919 für Theaterlegende Max Reinhardt komponierte. Zur Steigerung der Komik war die musikalische Begleitung nicht gedacht. Vielmehr wies sie auf die verborgenen Seiten der Figuren hin. Ein dissonantes Motiv kündigte den ersten Auftritt von Don Juan (Heisam Abbas) an. Die einzige Gesangseinlage – elegant und nuanciert von Tenor Philipp Werner vorgetragen – verzauberte selbst den bekennenden Anti-Romantiker Benedikt (Marco Wohlwend). Das Orchester unter Leitung von Tobias Deutschmann interpretierte die spätromantischen Klänge angenehm süffig und transparent.
 
Die große Stunde der Komödianten
 
Das größte Lob aber gebührt dem zwölfköpfigen Ensemble, das genau die richtige Mischung aus Worttheater und Körpereinsatz zeigte. Ausgestattet mit einer kontrollierten Energie, die sich bis zum Ende des dreistündigen Theaterabends nicht erschöpfte. Als Gegensatzpaar Beatrice und Benedikt lieferten sich Julia Wolff und Marco Wohlwend nicht nur witzige Wortgefechte, sondern durften auch die zarten Gefühle zeigen, die die Clownsgesellschaft meist hinter eine Maske aus Spott und Coolness verbarg. Gastschauspielerin Anne Simmering nahm man die verfolgte Unschuld Hero voll und ganz ab. Konsequent baute Jakob Walser seine Rolle aus und entwickelte sich vom naiven Kraftprotz zu einem Bräutigam, der Hero ebenbürtig sein kann. Unnachahmlich der heilige Zorn, in den sich Jochen Langner als Leonatos Vater hineinsteigerte. Wunderbar Hanna Werth, die als Aupair-Mädchen Margarethe die Zuschauer mit schwedischen Tiraden unterhielt. Thomas Braus zeigte Don Juans Gehilfen Borachio als eitlen Shakespeare-Rezitator à la Klaus Kinski. Und Heisam Abbas glänzte – ähnlich wie bei der „JR“-Premiere im Februar – gleich mehrfach: als dämonischer Don Juan, als besonnener Mönch und als Amtmann Holzapfel, der sich doch glatt als rheinische Frohnatur nahe bei Hausmeister Krause entpuppte. Daß Hiebe gegen die Wuppertaler Kulturverantwortlichen nicht ausbleiben konnten, lag bei diesem auch etwas bitteren Abschied von dem einst großen Wuppertaler Theater auf der Hand – beim Intrigenstadel des Maskenfestes wurden neben Figuren der Weltpolitik auch Oberbürgermeister, Kämmerer und der Geschäftsführer der Bühnen zur Maske, die die Clowns sich aufsetzten.


Foto © Uwe Stratmann
 
Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de

Redaktion: Frank Becker