Unterwegs im Lande der Inka (1)

Notizen auf einer Reise in Ecuador und Peru

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper
Unterwegs im Lande der Inka
Notizen auf einer Reise in Ecuador und Peru
 
von Johannes Vesper
 
Elf Stunden braust der Airbus nach Westen. Auf der projizierten Karte verfolgt man sein Weiterkommen, und pünktlich landet er auf dem modernen, gerade fertig gestellten Flughafen ca. 40 km südlich von Quito. Immerhin werden in Ecuador die Flughäfen fertig gestellt.
 
12.10.13 Quito:
Die Stadt ist seit dem 18.09.1978 zusammen mit Krakau Weltkulturerbe. Sie liegt auf knapp 3000 m Höhe in einem langen schmalen Tal. In der Ferne sieht man aus dem Hotelzimmer die riesige, neogotische Basilica des Voto Nacional und hoch oben auf dem Panicillo die große Jungfrau Maria aus Blech. Der Aspekt erinnert an den Jesus auf dem Corcovado in Rio de Janeiro. Beim Spaziergang durch die Innenstadt fallen die Polizistinnen auf: Ausdruck einer zunehmenden Emanzipation, wie sie von Rafael Correa, dem linksliberalen Präsidenten von Ecuador (seit 11/2006) angestrebt wird. Der sozialistische Wirtschaftswissenschaftler versucht, das Land zu modernisieren, lehnt die USA als Führungsmacht ab, hatte Nähe zu dem inzwischen verstorbenen Hugo Chavez in Venezuela, zahlt Mindestlöhne für die Ärmsten der Armen, behält aber den Dollar als Landeswährung bei, obwohl der ihm politisch nicht paßt. Er schränkt die Pressefreiheit ein und sieht gut aus.
Auf dem Placa de La Independencia herrscht reges Treiben. Der pinkfarben eingewickelte Baum soll Aufmerksamkeit wecken für Lesben und Schwule.


Polizistinnen in Quito - Foto © Johannes Vesper

Daneben erhebt sich spätbarock die Jesuitenkirche mit den Herzen von Jesus und Maria in der Fassade (Sind da Koronargefäße zu sehen?). Das gesamte Innere der Kirche ist mit Blattgold belegt. Welch eine katholische Pracht. Innen in der Frontwand führt ein echtes Treppenhaus zur Empore, das zweite ist gemalt. Die Golddekoration der Wände erinnert an maurische Muster, die von den Konquistadoren aus dem arabischen Spanien mitgebracht wurden, die aber mit dem Andenkreuz prähispanische Vorstellungen übernehmen: Die Mitte des Kreuzes bildet den Nabel der Inka-Welt (Cusco), von dem aus die vier Himmelsrichtungen ihren Ausgang nehmen. Die drei Stufen in der Begrenzung der Mitte entsprechen der Unterwelt, der Welt der Menschen und der Götterwelt, dem Himmel. Schlange (Symbol der Weisheit der Unterwelt), Puma (Symbol der Stärke in der Menschenwelt) und Kondor (Symbol der Gerechtigkeit des Himmels) spielen für das heutige indigene Selbstverständnis da eher eine geringe Rolle.


Quito, Jesuitenkirche - Foto © Johannes Vesper
 
Heute manifestiert sich ihr Selbstbewußtsein dagegen mehr im Fußball. Mushuc Runas, die Mannschaft der Ponchos, der erste indigene Fußballverein, hat in den letzten Jahren einen enormen Aufstieg in die erste Liga des ecuadorschen Fußballs geschafft, spielt in den großen Stadien des Landes und wird finanziert von einer eigenen Kredit-Kooperative.
 
13.10.13 Otavallo
Auf dem großen Gemüsemarkt in Otavallo, ca. 100 km nördlich von Quito, wird alles verkauft, was in der Region wächst. Man sieht die

Gemüsemarkt in Otavallo - Foto © Johannes Vesper
unterschiedlichsten Kartoffeln, die Stachelannone (Guanabana= Sauersack), deren Saft gerne getrunken wird, Bananen verschiedener Größe und Farbe, Maracuja, Mango, Erdbeeren, Pflaumen, Carambola, Membrillo, Pepino, Granadilla, und viele andere Früchte. Die Gattung der Passionsblumen mit ihren Früchten ist außerordentlich artenreich. Hier auf dem Markt herrscht ungeheures Gewusel von Menschen, Karren, Autos. Die Goldperlenkette der Mädchen und Frauen, die je nach sozialem Status mehr oder weniger üppig ausfällt, besteht heute nicht aus Gold- sondern aus goldgelbem Plastikkügelchen. In der Mitte der Markthallen über den Garküchen steht Christus unter Glas und auf dem Hauptplatz der Stadt eine riesige Büste Ruminawis, der nach dem Tod von Atahualpa, dem letzten Inkakönig, den Widerstand der Inka 1533 gegen die Spanier geführt hat.
 
14.10.13
In Peguche, einem kleinen Dorf in der Nähe Otavallos, gründete Elisabeth Munz 1996 die Casas del Ninos, eine Schule mit Kindergarten („Wir helfen Kindern in Ecuador“ www.helpkidsinecuador.org), die von Spenden und Patenschaften unterhalten wird. Carlos ist der Direktor. Er führt uns durch den Komplex. Disziplin schon im Kindergarten gehört zum Konzept, auch für die Jungen, die hier Zöpfe tragen, nicht die Mädchen. In der Schule wird gewebt, mit Holz gearbeitet und gemalt. In der Aula tanzen ältere Schülerinnen zu indigener Musik der Jungen unter den Augen der Musiklehrerin. Zum Schluß tanzen wir alle mit.
 
Die Rosenplantage Rosadex wurde 1993 gegründet. Hier werden auf 22 acres (1 acre = 4047 qm also ungefähr ein Morgen) nördlich von Quito Rosen angebaut. Die Region Cayame ist eine der bekanntesten Regionen für die Rosenzucht. Die Rosen (Herstellungspreis ca. 30 Cent) werden am Blütenkopf hängend schwebend in einer handgeschobenen Hängebahn aus den riesigen Gewächshäusern in die zentrale Halle transportiert, wo sie nach Stiellänge und Farben sortiert und verpackt werden. Alle Frauen, die hier arbeiten, tragen Schutzkleidung. Ob sie im Akkord arbeiten? Die Blumen werden verpackt, im Kühllastwagen nach Quito zum Flughafen und von dort nach Aalsmeer (Niederlande) geflogen. Dort ersteigert sie der Blumengroßhändler und verkauft sie an den Händler bei uns in Deutschland um die Ecke. Ca. 1 Woche braucht die Rose aus Ecuador, bis sie bei uns verkauft wird. Dunkelblaue Rosen, mit blauem Farbstoff in der Nährflüssigkeit hergestellt, werden in Rußland geschätzt. Wir sind zu einem kleinen Imbiß in die ursprüngliche Hacienda eingeladen (Heute Landhaus der Familie), die mit der originalen historischen Einrichtung, mit Kirchlein und Nebengebäuden zu den schönsten Haciendas Ecuadors gehört. Auf historischen Fotos erkennt man, daß man vor der Rosenzucht hier das Geld mit der Einfuhr und Zucht von Holsteinischen schwarzbunten Kühen verdient hat. Kühe wurden ja erst im 19. Jahrhundert nach Südamerika importiert.


Rosenfarm - Foto © Johannes Vesper

Der faire Handel mit Schnittblumen ist in Deutschland noch kein großes Thema: Dabei haben sich Blumenproduzenten, Blumenhändler, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften im Flower Label Programm zusammengetan und das weltweite FLP-Zertifikat geschaffen. Damit werden Blumen gekennzeichnet, die unter umweltgerechten und menschenwürdigen Bedingungen produziert werden, ohne Kinderarbeit, ohne hochgiftige Pestizide, unter Einhaltung von Arbeitsschutz usw. usw. Die Einhaltung des Zertifikats wird geprüft (www.fairflowers.de), so hofft man.
 
Am Äquatordenkmal beginnt die Allee der Geographen und Naturforscher mit dem Denkmal für Charles-Marie de la Condamine (1701-1774): Auf ihn geht der Namen Ecuador zurück. Er hatte in der Mitte des 18. Jahrhunderts Südamerika und Ecuador besucht, den Äquator nicht ganz richtig festgelegt und mit seinen Publikationen („Journal de voyage fait a l Equateur pour ordre de Roi“) über Geographie, aber auch über Chinin und Gummibaum, schon vor Alexander von Humboldt, der Südamerika erst von 1799-1804 bereiste, über die Region berichtet.
 
15.10.13
Francisco Pizarro, der Schweinehirt aus der Estramadura, der das Inkareich erobert hatte, wollte Lima ursprünglich am 6. Januar 1535, am Tag der Heiligen 3 Könige, gründen. Tatsächlich war der Gründungstag der „Stadt der 3 Könige“ der 18.1.1535. Drei Jahre zuvor war Pizarro mit knapp 200 Soldaten an der Nordküste Perus gelandet, hatte den Inkakönig Atahualpa gefangen genommen und ihn 1533 erdrosseln lassen, obwohl der sein Gefängnis mit Gold und Silber hatte anfüllen lassen. Dank überlegener Rüstung der Spanier mit Pferden, Schwertern und Schußwaffen fiel das riesige Inkareich an die spanische Krone.

Lima, Denkmal für Bolivar und Sucre - Foto © Johannes Vesper
Die Plaza St. Martin in Lima ist benannt nach dem argentinischen General, der 1821 die nationale Unabhängigkeit Perus ausgerufen hatte. An einer Seite seines Denkmals (1921 vom spanischen Bildhauer Marriano Benliure) stehen Simon Bolivar (1783-1830) und General Jose de Sucre (1795-1830), die 1824 die spanische Armee besiegten, die daraufhin Südamerika verlassen mußte. Das elegante Hotel Bolivar an der Plaza St. Martin ist eines der berühmtesten Hotels Südamerikas.
 
Beim Spaziergang durch die autofreie Altstadt fallen immer wieder die kleinen Stände auf, an denen man Limonade, Kokablätter, geröstete Nüsse und andere Snacks erstehen kann. Man sieht prächtige Historismusbauten, Jugendstilfassaden und immer wieder auch die kolonialen bzw. neokolonialen geschlossenen Balkone spanisch-maurischen Ursprungs. Mit dem Bau der Kirche La Merced wurde bereits 1534 also vor der Stadtgründung begonnen. Die Fassade ist ein bedeutendes Beispiel peruanischen Barocks. Die hier verehrte Mutter Gottes war Patronin der peruanischen Armee. Bald taucht in der Ferne der Palaco Gobierno an der Nordseite der Plaza Mayor auf. Lima wurde von den Spaniern aufgebaut wie alle Kolonialstädte: In der Mitte der Stadt am großen Platz findet man den Präsidentenpalast - der jetzige Palast stammt aus den 1930er Jahren-, sieht man das Rathaus und die Kathedrale mit dem Palast des Erzbischofs. Bei unserer Ankunft ist der feierliche Wachwechsel unter den Klängen einer Militärkapelle gerade zu Ende. In der Mitte der Plaza des Armes steht ein Bronzebrunnen mit der Jahreszahl 1650. 
Auf der Westseite des Platzes flattert über dem Stadthaus (erbaut 1945) mit seinen zwei symmetrisch angebrachten kolonialen Balkonen und mit dem Stadtwappen von Lima (in Anlegung an den Habsburger Doppeladler) die Regenbogenfahne der Inka.
 
Die Kathedrale an der Ostseite des Platzes wurde erstmalig 1655 vollendet. Erdbeben (1606, 1609, 1630, 1678) führten jeweils zu erheblichen Schäden und anschließendem Wiederaufbau. Erst nach dem gewaltigen Erdbeben von 1746 ging man andere Wege und konstruierte die Pfeiler aus Holz und die Wände und Dächer aus Quincha (traditionelles südamerikanisches Fachwerk) bzw. Zedernholz und Rohr. Die Türme stammen aus der Zeit um 1800. Im Inneren der Kirche und zwar in der ersten Kapelle rechts wurde erst kürzlich die Leiche Pizarros gefunden. Welch ein Haudegen der war, ist den Verletzungen seines jetzt endlich friedlich im Sarg ruhenden Skeletts noch heute anzusehen.
 
Das wunderbare Gestühl im Chor wurde 1626-1632 von Künstlern und Handwerkern aus Lima geschnitzt. Und in einer Seitenkapelle links steht Martin de Porres (1569-1639), ein heiliger Dominikaner-Mönch mit Besen, ein wahrer Saubermann, Mulatte, Schutzpatron des Heil- und Pflegepersonals, Wundarzt und Apotheker, der alle ungeachtet ihrer Hautfarbe behandelt hat.


Apropos Kartoffeln: die Auswahl ist groß - Foto © Johannes Vesper
 
Das kleine Mittagessen am Steilufer von Miraflores bietet erste Berührungen mit der peruanischen Küche. Erfrischend ist die köstliche Ceviche: roher Fisch (Meerbrasse) in Zwiebel- Chili-Limetten-Marinade mit Salz- oder Süßkartoffeln. Aufregend sind die Drachenflieger über, neben und unter uns. Miraflores ist das moderne Lima mit Boutiquen, Restaurants, Büros, Hotels und kleinen alten, hübschen Villen zwischen den modernen Hochhäusern.


Lesen Sie morgen hier den zweiten Teil dieses interessanten Reisetagebuchs