Blutdruckspitzen - Emotional, kraftvoll, elegant

„Minute Beat - Ein Herzschlagduett“

von Karl-Heinz Krauskopf

Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Blutdruckspitzen - Emotional, kraftvoll, elegant
 
Minute Beat -  Ein Herzschlagduett“
 
Es tanzen: Regina Advento, Lin Verleger - Choreografie/Musik/Konzept: Regina Advento - Licht: Jens Piske – Ton: Karsten Fischer, Karl-Heinz Krauskopf – Videobearbeitung: Andreas von Höre – Kostüm: Markus Fischbach - Fotos: Karl-Heinz Krauskopf
 
 
„Bei einer kardiologischen Untersuchung habe ich das erste Mal gehört und bemerkt,
 welch unterschiedliche Klänge mein Herz und das fließende Blut in meinem Körper erzeugen.
Sofort kam mir die Idee, diese Klangfarben aufzunehmen und damit die musikalische Basis
für ein Tanzprojekt zu machen. Man sagt oft zu manchen Leuten:
„Dieser Mensch hat den Rhythmus im Blut.“ Jetzt verstehe ich, was das bedeutet.“
(Regina Advento)
 
Vor ausverkauftem „Theater Im Pumpenhaus“ in Münster fand am vergangenen Samstag die Premiere des Tanzstücks statt -  konzipiert und choreografiert von Regina Advento und von ihr im Duett mit dem Breakdancer Lin Verleger getanzt.
60 Minuten tanzt die Solotänzerin des Tanztheaters Pina Bausch mit Lin Verleger zum und mit dem Taktgeber unseres Lebens, dem 60mal pro Minute schlagenden Herzen. Sie lassen das Publikum in eine Parallelgeschichte einsteigen, die das Herz in physiologischer wie psychologischer Hinsicht als Knotenpunkt unseres Lebens darstellt. Da erlebt das Publikum eine extreme Grenzerfahrung aus dem Leben von Regina Advento, ihm werden nüchterne Fakten zum Motor des Kreislaufs von Lin Verleger referiert, dazu der Herzschlag als akustisches Erlebnis in Endlosschleifen - in unterschiedlichsten Frequenzlagen und Lautstärken - eingespielt. Auf der die Bühne nach hinten abschließenden weißen Wand sind immer wieder Videosequenzen zu sehen. Sie projizieren ein schlagendes Menschenherz, lassen wandernde EKG-Ableitungen aus der Unschärfe hervor- und wieder in Unkenntlichkeit wegtreten oder lenken die Aufmerksam des Betrachters dann auch einmal auf eine animierte Herzklappe. Die Bühne ist mit zwei großen Stapeln Tageszeitungen spartanisch dekoriert.


Foto © Karl-Heinz Krauskopf
 
In diesem Umfeld bewegen sich die Tänzer. Der Motor ihres Kreislaufs entwickelt mit seinen individuellen Schlägen Kräfte, die beide zu außerordentlichen körperlich Anstrengungen beflügeln. Gleichzeitig entwickelt sich zwischen Regina und Lin eine emotionale Beziehung, eine Neugier, die Anziehung und Verweigerung, Zärtlichkeit und Brutalität, Erotik und Sexualität erspüren läßt. Dem kraftvoll tanzenden Lin, der in einem von purer Muskelkraft charakterisierten Solo die Elemente des Breakdance mit komplizierten Körperwindungen, zunehmend eskalierenden Sprüngen und Drehungen schließlich in einer Kopfpirouette enden läßt, steht die leichtfüßige, durch elegante Bewegungen und fließende Tanzfiguren die Bühne ausfüllende Regina gegenüber. Unterschiedlicher könnten die Stile nicht sein- und doch finden sie immer wieder in atemberaubenden Synchrontänzen zusammen. Verausgabt, mit Blutdruckspitzen, die bei beiden in schwindelnde Höhen steigen (sie teilen dem Publikum die gemessenen Werte kommentarlos mit), sitzen sie zum Schluß gemeinsam auf einen Stuhl, erschöpft und immer noch neugierig auf das, was den anderen charakterisiert, und wenn es ihr unausgesprochenes Alter ist. Auch wenn es kitschig scheint (ist es aber nicht), beide finden im Ausblenden des letzten Scheinwerferlichts zusammen, die elegante Tänzerin, der kraftvolle Breakdancer, die sanfte Frau, der unbeholfene junge Mann. Eine Geschichte wie sie nicht polarisierter sein kann.


Foto © Karl-Heinz Krauskopf
 
Lang anhaltender Applaus, verstärkt durch begeistertes en Füßetrampeln und Blumen aus dem Publikum waren der Dank der Besucher dieses erfüllenden Tanzabends an die beiden schließlich doch noch strahlenden Künstler.  
 
 
Morgen, Mittwoch, 2. April 2014 wird das Stück noch einmal in der Wuppertaler „Börse“ aufgeführt.