„Kuß“ statt Schuß in Syrien

Die Uraufführung von Autor und Regisseur Guillermo Calderón im Schauspielhaus Düsseldorf überzeugt nicht

von Andreas Rehnolt

„Kuß“ statt Schuß in Syrien
 
Die Uraufführung von Autor und Regisseur Guillermo Calderón
im Schauspielhaus Düsseldorf überzeugt nicht
 
 
Düsseldorf - Wer sich nach dem jahrelangen Bürgerkrieg in Syrien an ein Theaterstück über das andauernde reale weltpolitische Trauerspiel macht, sollte mehr im Ärmel haben, als der Autor Schau und Regisseur Guillermo Calderón, dessen Stück „Kuss“ jetzt im Düsseldorfer Schauspielhaus seine Uraufführung erlebte. Was sich da gut 90 MInuten auf der in Wohnzimmer-Ambiente von Anna Sophia Röpcke ausstaffierten Bühne im Kleinen Haus am Gründgens-Platz abspielte, war so gar nicht passend zur Situation des Landes, in dem bislang viele zehntausend Menschen ihr Leben verloren.
 
Das schwer angeschlagene Theater in der NRW-Landeshauptstadt scheiterte am Syrienkrieg. Der Titel des Stücks „Kuss“ statt der millionenfachen Schüsse in dem Bürgerkriegsland war denn wohl auch von vornherein zu simpel getextet und gedacht. Darauf aufbauend, daß die Menschen in Syrien leidenschaftlich „Seifenopern“ im Fernsehen schauen und sich dafür - wie hierzulande zu Dallas-Zeiten - mit Freunden und Bekannten treffen - reicht es einfach nicht, eine Dreiecks-Beziehung zu erfinden und sie in einem syrischen Wohnzimmer anzusiedeln.
Dabei sind die insgesamt sechs Akteure gar nicht schlecht. Allen voran Simin Soraya als Hadeel und Marian Kindermann als Youssif, die, obwohl mit anderen Partnern zusammen, eine versteckte Leidenschaft füreinander hegen. Noch bevor man auch nur eine Szene der syrischen Seifenoper aus dem - dem Publikum abgewandten Fernsehapparat - sieht oder zumindest hört, bricht Simin tot zusammen. Nur um Minuten später bei einer Pseudo-Live-Schaltung ins Kriegsgebiet wieder. aufzuerstehen.
Sie starb nämlich nicht aus Liebe zu Youssif, sondern an den Folgen eines Giftgasangriffs der Assdad-Soldaten. Recht platt also, was da von Giftgasangriffen in der Nähe von Damaskus erzählt wird und doch erscheinen diese Minuten noch als die stärksten in dem Bühnenstück, das aber letztlich von der Unmöglichkeit handelt, sich in einen Krieg hineinversetzen zu können. Der letzte, der quasi 3. Teil der Inszenierung handelt dann davon, daß unbekannte Dritte in die Rolle der Opfer schlüpfen und der Weltgemeinschaft erzählen, was es da alles an Schrecklichem gegeben hat.
 
Am Ende gibt es zwar Applaus für die Schauspieler, aber es bleiben viel zu viele Fragen offen und viel zu viele Mißverständnisse. Warum man nicht einen syrischen Autor, sondern den chilenischen Dramatiker Calderón mit einem solchen Stück beauftragt hat, bleibt schleierhaft. Zum Syrienkrieg selbst und zu seinen unzähligen Opfern hat der Abend reichlich wenig zu sagen, er thematisiert lediglich die Skepsis gegenüber dem bloßen Versuch, das zu wagen.