Ein letzter Brief aus Alcatraz

Schuldig - in den Fängen des Finanzamtes Novaesium

von Balduin Bählamm

Foto © Frank Becker
Ein letzter Brief aus Alcatraz
oder
Schuldig - in den Fängen des Finanzamtes Novaesium
 
Es hat mich meinen letzten Goldzahn gekostet, daß ich nun an alle meine lieben alten Freunde diesen letzten Brief (wie einst Mario Cavaradossi in Puccinis "Tosca") schreiben kann. Die jahrelange schlechte Nahrung - nur MacDreck-Burger - und der damit verbundene Skorbut durch Vitaminmangel - ihr kennt ja alle "Papillon" (Henri Charrière) - ließen die anderen Zähne ausfallen. 
 
Was war passiert? Wie um Himmels Willen konnte es soweit kommen?
Achtung! Das kann jedem jederzeit passieren in Deutschland, wenn das Finanzamt einen Fehler macht und Ihr das nicht ernst nehmt.
Ausgangslage: Kleines Brieferl von meinem Finanzamt: Ich hätte die 62 Euro Kfz-Steuer für meinen Kleinwagen angeblich nicht bezahlt, gar falsche Angaben auf dem Abbuchungsformular gemacht. Prompt bekam ich die geballte Staatsmacht in Form der Vollstreckungsstelle eines germanischen Finanzamtes zu spüren.
Ursache: Bei der Umgliederung/Neustrukturierung der niederrheinischen Finanzämter meiner Heimat ist wohl unbemerkt ein Fehler passiert. Es hat sich mein Datensatz bei der Kfz-Steuerabteilung plötzlich geringfügig geändert bzw. ist (Eingabefehler oder Sabotage?) klammheimlich verändert worden. Sollte da etwa ein ungeliebter Kritiker... Insoweit, daß da plötzlich bei Bankverbindung nicht mehr "Sparkasse Neuss" - sondern "Sparkasse Krefeld" stand; kleiner Fehler - große Wirkung. Für mich mit fatalem Ergebnis.
Das Unheil nahm seinen Lauf: So erhielt ich vom Finanzamt Novaesium ein harmloses Brieflein mit dem Hinweis, binnen 48 Stunden (bei angedrohtem Sofort-Arrest) die fällige Kfz-Steuer von 62 Euro für meinen Golf (ich zahle nur so wenig, weil das Auto natürlich extrem schadstoffarm ist) umgehend - quasi soforter als gleich - zu bezahlen. Eine Abbuchung wäre wegen falscher (!) Angaben zum Konto fehlgelaufen. Der Stil des Briefes sortierte mich moralisch irgendwo zwischen einem Hoeness und Zumwinkel ein - fand ich. Wir kriegen Dich Bürschlein schon! - stand irgendwie zwischen den Zeilen. Dafür schicken wir Dir üblem Staatsfeind die Finanz-Kavallerie auf den Hals.
Aber hallo liebe Finanzbeamte! Mein Konto - von dem seit 42 Jahren die Kfz-Steuer meines Autos und meiner Motorräder immer korrekt abgebucht wurde, wird doch nicht bei der Sparkasse Krefeld, sondern bei der Sparkasse Neuss geführt. Das müßt Ihr doch wissen - bucht es doch von dort (bisher jedenfalls!) immer ab. Und merke: Wo ich kein Konto habe, kann auch nichts abgebucht werden. Na, das sollte im Zeitalter des schnellen Internets doch zügig geregelt sein.
Denkste!
 
Zuerst einmal stelle ich fest, daß mein Finanzamt und seine Mitarbeiter anscheinend gar keinen Internetanschluß haben - denn eine Adresse finde ich nicht; findet sich nirgendwo. Man will anscheinend auch im Jahr 2013 nicht zeitnah oder vor dem zweiten Frühstück kontaktiert werden...
Aber eine Telefonnummer gibt es - hurra - mit Namensbezug. Ich rufe also die Dame an - rund 2456 Mal - immer vergeblich! Mal teilt mir die Telefonansage mit, daß ich außerhalb der Dienstzeiten anrufe, mal werde ich stundenlang vertröstet und belogen ("Sie sind der nächste in der Leitungs-Warteschlange!"), um dann nach 4,5 Stunden und der 67894. Wiederholung einer dämlichen Kindermelodie, die wohl von selbigen auch auf dem Xylophon gespielt wird (um GEMA -Gebühren zu vermeiden), definitiv mitgeteilt zu bekommen, daß ich demnächst erneut anrufen soll, da die Leitungen leider, leider total überlastet seien.
In meiner Verzweiflung wähle ich alternative Nummern, die ich so im Telefonbuch unter Finanzamt Novaesium finde. Immer die gleiche Reaktion.
Endlich gelang es, ein lebendes  Wesen ans andere Ende der Leitung zu bekommen: "Da sind wir nicht zuständig; sie müssen bitte diese Nummer anrufen!" - "Aber Verehrteste, das versuche ich seit zwei Monaten! Können Sie nicht eine kurze Nachricht weitergeben. Es muß heißen NEUSS !!! Nicht KREFELD !!! Mehr nicht - mehr wirklich nicht. Da ist ein Fehler in ihrem Datensatz. Bitte!" NEUSS!!!!!!
Ich klinge geradezu flehentlich - doch Klong - aufgelegt. Rückruf - besetzt! Auch eine Woche später noch. Gibt es doch Leben auf dem Mars? Ich glaube nicht.
Doch dann keimt Hoffnung auf - ich entdecke eine Fax-Nummer auf den Formularen - unten ganz klein geschrieben und am Rande des Formulars raffiniert versteckt. Also sofort auf ins Elektro-Steinzeit-Technologie-Museum nach Heimbach (Ruhrsee) und ein noch funktionierendes Faxgerät geliehen.
Daß für die Millionen Kunden des Finanzamtes am Niederrhein nur EINE EINZIGE FAXNUMMER angegeben gibt - kein Scherz ! - hätte mir eigentlich verdächtig vorkommen müssen... Also faxe ich und faxe und faxe. Und faxe und faxe, bis ich die Faxen dicke habe.
Nun denn die alte Methode: DER BRIEF.
Die 23,50 Euro für ein "Einschreiben - persönliche Zustellung mit Rückschein" hätte ich mir sparen können, denn es gibt nur ein Postfach, wo der vermutete Ein-Euro-Jobber Hubert H. (Name erfunden) als Postbevollmächtigter die Tausende von Briefen wohl alle quittiert.
Zwischenzeitlich wiehert der Amtsschimmel mit der Gewalt eines Orkans, und es verfügt die Finanzbehörde (Kopie an mich) eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, um meine 62 Euro Staatsschulden direkt von der Bank einzuziehen.
 
NA - RATEN SIE VON WELCHER BANK...
Ähem... genauvon eben dieser KREFELDER SPARKASSE, wo ich ja gar kein Konto habe. Noch Fragen?
Die Geschichte eskaliert...
Tatbestand: Absichtliche Irreführung der Staatsmacht, bewußte Täuschung der Steuerbehörden, Heimtücke und Hinterlist - so ein Schwein!
Nein !! Ich bin nicht Sebastian Vettel! Heiße auch nicht Schumacher. Ich zahle ehrlich meinen Anteil an den Staatsausgaben....
 
Ende: Über den Einsatz der GSG-9 vier Wochen später nachts um 4 h und die weiteren Umstände meiner Verhaftung zu schreiben, hat keinen Sinn mehr nach den vielen Jahren in Alcatraz. Habe auch das meiste vergessen oder verdrängt.
Und, liebe Freunde, glaubt nicht die Presse-Lügengeschichten, daß dieses Gefängnis schon seit Jahren geschlossen sei - alles nur amerikanische Propaganda. Überall treffe ich hier noch Menschen in orangefarbenen Arbeitsanzügen...
 
P.S.
Und manche sprechen sogar Deutsch - niederrheinischen Nüsser Dialekt.