Der Mann im Salz

Alfred Komarek: "Die Schattenuhr"

von Frank Becker
Licht und Schatten

Wir haben den Aussteiger wider Willen Daniel Käfer bereits in Alfred Komareks brillantem Roman "Die Villen der Frau Hürsch" kennengelernt, mit ihm gezweifelt und gelitten. Wir haben ihn bis zu einem Zwischenziel begleitet und das gute Gefühl gewonnen, daß diese vielleicht etwas schief ins Leben gebaute Figur (Ringelnatz möge mir verzeihen) sich schon fangen und finden wird, nicht nur durch die manchmal zweifelhafte Stütze seiner Schicksalspartnerin Sabine. Nun treffen wir wieder auf ihn, der bereit ist, seine Zelte im Ausseerland wieder abzubrechen, die Stätten der Kindheit, in die er sich für die Dauer seiner Sinnkrise zurück gezogen, nein: geflüchtet hat, an Bord seiner allenthalben Aufmerksamkeit fordernden "Ente", seines 2 CV, wieder zu verlassen. Das Bündel ist geschnürt, der Abschied von der hübschen jungen Anna und der höchst anziehenden Maria Schlömmer ist gemacht. Doch ausgerechnet jetzt kreuzt ein anderer Lebenskünstler seinen Weg, der Bergler Bernd Gamsjäger. Der zieht ihn in eine Geschichte, die zu versprechen scheint, ein altes Geheimnis, die Legende vom Mann im Salz von Hallstatt zu lösen.

Schon steckt Daniel Käfer in einem neuen, weit verzwickteren Abenteuer, als er es im vorigen Buch erlebt hat. Er bleibt, zieht wieder bei Maria Schlömmer und ihrem grantigen Mann ein und trifft bei seinen Fahrten kreuz und quer durchs Hallstätter Land noch einmal auf die bekannten und einige neue Charaktere. Komareks zweiter "Käfer" knüpft unmittelbar an Bekanntes an, ist daher ohne Kenntnis des Vorläufers und seines Personals kaum halb zu so gut zu lesen wie mit. Wobei wir schon beim Kernpunkt sind. Nicht nur, daß man die Lektüre von "Die Villen der Frau Hürsch" dringend nötig hat, um sich in "Die Schattenuhr" zurecht zu finden - man begreift sehr schnell, daß Komarek Gefahr läuft, sehr viel des bereits Geernteten noch einmal zu dreschen. Der Roman bleibt dabei durchaus angenehm lesbar, man nimmt auch Anteil an den Schicksalen, spürt aber doch, daß einiges recht gewollt in die Handlung eingeführt wird.

So läßt Komarek Käfers früheren Chef Rösler mit einer (wer bei der Journaille arbeitet, wir meine Zweifel verstehen) unglaublichen Offerte auftauchen, zieht für völlig unnötige Verwicklungen einen schmierigen Ex-Kollegen Käfers und mit Marc Moser einen sensationsgierigen wie unsympathischen weiteren Zeitgenossen aus dem Hut. Natürlich ist auch Eustach Schiller wieder mit von der Partie. Da ohnehin zu ahnen ist, daß alles gut werden wird, hätte man sich wenigstens einen der beiden Widerlinge ersparen können. Was anfangs noch recht unterhaltsam ist, nämlich die Eloquenz aller Beteiligten, wird bald zur Last. Zu glatt und schlagfertig sind aber auch nahzu sämtliche Dialoge. Da wäre keiner mal um eine kluge oder zumindest pfiffige Replik verlegen. Irgendwann beginnt das übertrieben zu wirken, ja nachgerade lästig zu werden. Da setzt jedesmal einer auf einen Schelmen anderthalben. Zu viel.

Komarek läßt am Ende vieles offen (Raum für neue Daniel Käfer-Romane?), schließt gewisse psychologische Prozesse jedoch ab. Erfreulich ist die Entwicklung zwischen Daniel und Maria Schlömmers Mann. Der entpuppt sich als gar nicht so unpatent, während der Wunsch des Lesers wächst, doch noch erleben zu dürfen (die Romanfiguren äußern das sogar explizit), daß sich zwischen Daniel und der Mirz (Maria) die knisternde Leidenschaft so entlädt wie die geschilderten Gewitter...  
Ob es dazu kommt und welches Geheimnis das Salz der Bergwerke birgt - lesen sie das trotz aller Kritik selbst - denn flüssig und sprachlich genußvoll liest sich Alfred Komareks Roman allemal.

Beispielbild

Alfred Komarek
Die Schattenuhr

Roman

© 2007 Diogenes detebe 23567

273 Seiten, Broschur
9,90 €

Weitere Informationen unter:
www.diogenes.ch