Abstrakte Malerei schenkt Freiheit

Paul Papenburg „Zeitfenster“

von Wolf Christian von Wedel Parlow

Paul Papenburg - Neugierde

Ausstellung „Zeitfenster“ von Paul Papenburg
 
Vor Jahren waren es noch karstige Bergabhänge unter einem glühenden Himmel oder Sonnen, die einen Bergabhang hinunter zu rollen schienen. Mit der Zeit wurden die Bilder großformatiger, abstrakter, geheimnisvoller.
Sie reizten mich, darin etwas zu sehen, was gar nicht dargestellt war, ein Schiff, einen Vogel, das Meer. Das ging wohl auch anderen so. Paul Papenburg amüsierte sich über die unterschiedlichen Interpretationen seiner Bilder und lächelte in sich hinein, als wollte er sagen: Gut, daß niemand weiß, was ich darstellen wollte, nämlich nichts Bestimmtes.
Wollte er wirklich nichts darstellen, nichts Bestimmtes? Er erklärte mir kürzlich, es sei eigentlich die Farbe, die ihn inspiriere. Wenn er vor seinem Farbregal stehe, springe ihm plötzlich eine bestimmte Farbe ins Auge, sagen wir: türkis. Und schon habe er das Bild vor Augen, das er nun gleich verwirklichen wolle. Das klingt so, als stehe ihm im Moment der Inspiration etwas Konkretes vor Augen, zum Beispiel ein von Seerosen überwachsener Teich.
Aber so ist es nicht. Nichts Konkretes hat Paul Papenburg im Moment der Inspiration vor Augen, oder sagen wir besser: nichts eindeutig Benennbares, keine Wiese, kein Gestrüpp, keinen Wald. Und doch entsteht da etwas unter seinen Händen, etwas, das uns anregt, es zu benennen, weil es irgendwelchen uns bekannten Szenerien ähnlich scheint. „Ach“, sagen wir, „ist das nicht ein Wald? Und befindet sich dort hinten nicht eine Lichtung?“
Solche Ähnlichkeiten mit der Natur sind gewiß nicht zufällig. Denn kein Mensch, auch nicht der Künstler, kann sich frei machen von dem, was er im Verlaufe seines Lebens wahrgenommen hat. So enthalten auch die Bilder, die im Moment der Inspiration im Kopf des Künstlers entstehen, selbstverständlich Elemente des in der Umwelt Wahrgenommenen, die uns dann veranlassen zu rufen: „Ach, ist das nicht ein Schiff?“
Aber darum geht es nicht. Wichtig ist viel mehr, daß jenes Bild, das im Kopf des Künstlers entstanden ist, danach drängt, auf der Leinwand reproduziert zu werden. Es liegt ein Zwang in diesem expressionistischen Schöpfungsakt: Der Künstler muß hervorbringen, was in seinem Kopf entstanden ist. Und dabei entstehen wie in jedem Schöpfungsakt neue Sichten, neue Einblicke.
Sichten worauf, Einblicke worin? Jedenfalls auf nichts Konkretes, in nichts, was unmittelbare Ähnlichkeiten mit der Realität aufwiese. Es sind Bilder, die von der Realität abstrahieren
Das ist ja vielleicht einer der wesentlichen Vorzüge der abstrakten Malerei – und als abstrakt möchte ich Papenburgs Malerei bezeichnen -, daß sie die Betrachter dazu anregt, in den Bildern etwas zu finden, was ihrem gegenwärtigen Gemütszustand entspricht. Oder sagen wir es kurz: Sie ruft etwas in uns hervor, etwas Persönliches, etwas Besonderes. Kein anderer Betrachter empfindet dasselbe wie ich.
Warum überhaupt abstrakte Malerei? Warum hat sie diesen Siegeszug angetreten? Hat das vielleicht etwas damit zu tun, daß wir durch Fotografie, Film und Fernsehen mit Abbildern der Realität bis zum Überdruß überschwemmt wurden? Daß wir dem Konkreten, dem Schrecken der Realität nicht auch noch in der Malerei begegnen wollen? Daß uns abstrakte Malerei so etwas wie Ruhe schenkt? Sie spricht uns an oder spricht uns nicht an. Wir bleiben stehen, lassen uns berühren und denken uns etwas dabei. Oder wir gehen achtlos an ihr vorüber, weil wir uns nicht angesprochen fühlen. Abstrakte Malerei schenkt uns die Freiheit, sich von ihr berühren oder nicht berühren zu lassen. Dieser Freiheit wollen wir uns aussetzen.


Paul Papenburg - Sommerregen
 
Die Ausstellung wird bis zum 19.1.2014 im Gemeindehaus St. Antonius, Bernhard-Letterhaus-Str. 10, 42275 Wuppertal-Barmen gezeigt und ist ab Freitag, dem 22.11.2013 bis einschließlich Freitag, den 20.12.2013 immer freitags von 15.00 bis 18.00 Uhr in Anwesenheit des Künstlers geöffnet.
 
Weitere Informationen unter: www.kunstnet.de/
 
Redaktion: Frank Becker