Das Gesicht der Städte

Jo Sollich – „Herbert Rimpl – Architektur.Konzern unter Hermann Göring und Albert Speer / Architekt des deutschen Wiederaufbaus“

von Robert Sernatini

Das Gesicht der Städte
 
Herbert Rimpl prägte mit seiner Architektur zwei deutsche Epochen
 
Der Architekt Herbert Rimpl (1902-1978), der im Dritten Reich von Hermann Görings und Adolf Hitlers Gnaden zum Leiter des größten Architekturkonzerns Westeuropas aufstieg, prägte die planerische Großmannssucht eines auch architektonisch gleichgeschalteten Deutschen Reichs und das Gesicht seiner Städte maßgeblich. Nach dem Privileg des „Persilscheins“ gehörte er beinahe nahtlos zu den führenden Architekten des deutschen Wiederaufbaus. Jo Sollich hat 2011 für seine Dissertation „Herbert Rimpl – Architektur-Konzern unter Hermann Göring und Albert Speer / Architekt des deutschen Wiederaufbaus“ Leben und Werk dieses sicher auch durch sein Pensum einzigartigen Ausnahme-Architekten akribisch untersucht, dokumentarisch und durch Hunderte Fotos und Skizzen belegt.
 
Aus architektursoziologischer Sicht bietet das Buch Einblicke in die NS- und Nachkriegszeit und schließt eine Forschungslücke nicht nur in der Architekturgeschichte. Herbert Rimpl wurde u.a. durch seine modernen Industriebauten für die Heinkel Flugzeugwerke in Rostock, Oranienburg, Germendorf, die Bücker-Werke in Rangsdorf und die Gigantomanie der „Hermann-Göring-Werke“ bekannt und profitierte im Dritten Reich vom Bedarf an Produktionsstätten der Rüstungsindustrie nebst angeschlossenen Wohnsiedlungen. Innerhalb kürzester Zeit konnte er als Protegé der NS-Führung den größten Architekturkonzern Westeuropas aufbauen. Für Stadtplanung, Industriebauten, Wohnungsbau in städtebaulichen Dimensionen und repräsentative Staatsarchitektur für Auftraggeber wie Hermann Göring und Albert Speer beschäftigte er rund 1.000 Mitarbeiter – darunter viele namhafte Architekten, die später, ebenso wie Rimpl, den deutschen Wiederaufbau gestalteten. Schon 1943 wurde er im Stab Albert Speers Mitarbeiter für den nach dem Krieg geplanten deutschen Wiederaufbau. Daß er tatsächlich durch seine „Reinwaschung“ nach den verheerenden Zerstörungen des Krieges, als fähige Architekten für den Wiederaufbau gebraucht wurden, in diese schon im NS-Staat geplante Position gelangen konnte, hat viel von einem Polit-Krimi. Jo Sollich hat auch dieses Kapitel im 212 Seiten umfassenden biographischen Teil seiner Arbeit mit höchster Sorgfalt und spannend dokumentiert.
Rimpls Nähe zum Dritten Reich hat seiner zweiten Karriere nicht geschadet. Verwaltungs-, Versicherungs- und Industriebauten, der Bau des Bundeskriminalamtes (!), Kirchen, Wohngebäude und Sportstätten in Westdeutschland tragen bis heute Rimpls Handschrift.
 
Jo Sollich hat das Leben und Wirken Herbert Rimpls nach umfangreichen Recherchen mit historischen Belegen, Fotografien und Skizzen sachlich nachgezeichnet, Zusammenhänge zwischen Städtebau, Architektur und Politik aufgedeckt und die gesellschaftspolitischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus kritisch beleuchtet.
Ausführliche Werk- und Mitarbeiterverzeichnisse runden das als maßgeblich für die deutsche Architekturgeschichte zu bezeichnende Werk ab.
Jo Sollich (*1966), 1987-94 Architektur-Studium an der TU Berlin, Forschungsschwerpunkte: Städtebau und Architektur im Europa der Zwischen- und Nachkriegszeit, 1994 Diplom, 2011 Promotion mit dem vorliegenden Werk, Inhaber des Architekturbüros Sollich Architekten.
 
Jo Sollich – „Herbert Rimpl – Architektur-Konzern unter Hermann Göring und Albert Speer / Architekt des deutschen Wiederaufbaus“
© 2013 Dietrich Reimer Verlag, 432 Seiten, gebunden, 26,5 x 21,5 cm, 617 Abbildungen, Personen-, Orts und Stichwortverzeichnis, Quellen - ISBN 978-3-496-01481-2
79,- €
 
Weitere Informationen: www.reimer-verlag.de