Aus dem Land der blauen Ameisen
Teil 1 April 1985
Lieber Freund,
bereits seit drei Wochen zurück aus dem Lande der Chinesen finde ich erst jetzt Ruhe, Ihnen ein wenig von der Reise zu berichten. Beinahe zwei Wochen brauchte ich allein, um wieder in meinen hiesigen (ich sage nicht „normalen“) Lebensrhythmus zu finden. Nach dem zweimaligen Überschreiten mehrerer Zeitgrenzen und dreimaligem Wetter- und Klimawechsel innerhalb von acht Tagen war ich ganz ordentlich gebeutelt und konnte sehr schlecht schlafen. Aber ich erzähle lieber von China. Zunächst hatte ich vor, Ihnen eine Fotokopie meines Reisetagebuches zu schicken, musste dann aber einsehen, daß die Aufzeichnungen, zumal in Kopie, sehr schlecht zu
Endlich war der Start nach Peking klar. Es flog die staatliche Fluggesellschaft der Volksrepublik. Am nächsten Morgen ging es mit dem Besichtigungsprogramm los. Den Anfang machte eine Busfahrt durch das riesenhafte Peking. 10 Millionen Menschen leben dort, 5 Millionen Fahrräder sind amtlich zugelassen (mit Schild, wie bei uns die Autos). Man hat den Eindruck, ständig sei die gesamte Bevölkerung auf der Straße unterwegs. Überall wird gebaut. Quadratkilometergroße Baustellen umgeben die Stadt von allen Seiten und dringen langsam ins Zentrum vor. Man macht den gleichen Fehler wie im Westen vor 20-30 Jahren und baut riesige Betonsiedlungen. Die eingeschossigen üblichen Hof-Wohnhäuser müssen dafür weichen.
Erste Station: der Tien-an-men-Platz, größter Platz der Welt mit Raum für 1 Million Menschen. Den Platz umgeben beeindruckende Gebäude wie zwei alte Tore (Tor des himmlischen Friedens und Südliches Haupttor der ehemaligen Verbotenen Stadt) und neue Gebäude aus der Zeit nach der Revolution (Halle des Volkes/Parlament, Historisches u. Revolutions-Museum, Mao-Mausoleum). Weiter ging´s in den nördlich anschließenden Kaiserpalast (Winterpalast), der in der Verbotenen Stadt liegt. Es ist eine riesige rechteckige ummauerte Stadt in der Stadt, in der es Gebäude mit 999 Zimmern gibt (der Himmel hat 1000 Zimmer).Tausende von Menschen schlendern durch die Anlagen.
Es fiel mir bei allen folgenden Besichtigungen auf, daß ungeheuer viele Chinesen mit Interesse die historischen Stätten besichtigen. Abseits meiner Gruppe hatte ich ein paar nette Begegnungen mit Chinesen und die Verständigung war auch ohne Sprachkenntnisse möglich. Der Nachmittag gehörte dem Himmelstempel, wieder einer Anlage von unerhörten Dimensionen, wie auch alle später besichtigten Anlagen aus kaiserlicher Zeit. Der Sinn für des Monumentale ist den Chinesen allerdings scheints noch immer eigen, denn die öffentlichen Gebäude sind auch heute noch mächtig angelegt. Der Himmelstempel liegt im Süden der Stadt in einem wundervollen Park. Leider war überall die Vegetation noch nicht so weit, die Landschaft erschien überwiegend in braun-grau. Abends Umzug in ein anderes Hotel, das „Freundschafts – Hotel“. Es ist ein Gebäudekomplex von ca. einem qkm, ummauert und bestens organisiert. Zutritt ist nur Ausländern oder Chinesen mit Erlaubnis gestattet. Komfort und Service entsprechen unserer Spitzenklasse. Anschließend hatte das staatliche Reisebüro eine Vorstellung der Peking-Oper arrangiert. Zunächst war es ja recht interessant und vor allem farbenfroh, die Musik gefiel mir, aber der Gesang zerrte an meinen Nerven. Schließlich übermannte mich (wie übrigens die meisten männlichen Mitglieder der Reisegruppe) ein gnädiger Schlaf.
Die Reisgruppe, die erst in Moskau aus verschiedenen Richtungen zusammengetroffen war, bestand aus vielen Nationalitäten: da waren vor allem Amerikaner, Engländer und Deutsche, aber auch Leute aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und Kanada. Auch ein Jugoslawe war mit. In der Pause wurde die Gruppe mit dem Bus zum Hotel gebracht. Ein Segen, denn die Oper dauert drei Stunden. Mittlerweile hatte sich ein Sandsturm erhoben, der immer stärker wurde. Meinen Abendspaziergang mußte ich mit vors Gesicht gebundenem Halstuch abbrechen. Mitten in der Stadt war die Luft gelbbraun vom Sand und Staub aus der Wüste und alles überzog sich damit. Der Schlaf der Nacht war wieder äußerst gesund.
Der folgende Tag bot gleich zwei wirkliche Höhepunkte. Nach einem Besuch der Ming-Gräber stand die Besichtigung der Großen Mauer auf dem Reiseprogramm. Ca. 2 Stunden außerhalb Pekings liegt ein
Ich muß übrigens erwähnen, daß in Peking vom ersten Besichtigungstag an bis zur Abreise die Sonne schien und frühlingshafte Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad herrschten. Ich hatte aber Probleme mit einer Erkältung, die Ich mitgenommen hatte, denn die Luft war überall derart trocken, daß ich nachts kaum Luft bekam und tagsüber Halsschmerzen und Schnupfen hatte. Ich gewöhnte mich daran, immer ein Glas Wasser am Bett zu haben und auch tagsüber viel zu trinken und Bonbons zu lutschen, das half. Schließlich wurde ich sogar die Erkältung fast los. Der Spaß an der Reise hat nicht darunter gelitten.
Nach einem üppigen Mittagessen in einem Restaurant auf dem Lande ging es mit dem Bus weiter zur Großen Mauer. Jetzt kam der erhebendste Moment für mich - darauf hatte ich mich am meisten gefreut. Seit meiner Kindheit hatte ich davon geträumt, diese Mauer zu sehen, meinen Fuß auf sie zu setzen. Nun
Der Abend war ohne Programm. Man brauchte aber auch die Zeit, um sich auf das Gesehene zu besinnen. Ein Bier in der Bar half entspannen. Das Bier ist ausgezeichnet, sofern es aus Peking oder Tsingtau kommt und ich habe manche Flasche genossen, zumal es kostenlos in Mengen zu jeder Mahlzeit (außer Frühstück) gereicht wurde. Der nächste Tag war von morgens bis abends mit Programm versehen und ließ keine Wünsche offen, außer, daß ich vieles gerne länger betrachtet und mich an schönen Plätzen gerne länger aufgehalten und mehr mit, den Menschen gesprochen hätte.
Nach einem kurzen Abstecher in den Zoo, wo die Pandas zur Besichtigung standen, ging es weiter zum kaiserlichen Sommerpalast, der bis zur Revolution im Jahr 1911 während der Sommermonate Regierungssitz und Hof der Kaiser und Kaiserinnen war. Es ist eine phantastisch schöne Anlage von vielen qkm mit Hügeln, Teichen, Seen, Brücken und etlichen Palast- und Tempelgebäuden, einem Theater (dem größten des Reiches) sowie Pagoden und Wandelgängen. Vieles wurde während der Revolutionswirren und in der Kulturrevolution zerstört. Heute wird das ganze Areal sorgsam gepflegt und dem Volk zur Verfügung gestellt. Der Besucherandrang war stark. Der Parkplatz vor dem Gelände war gestopft voll mit abenteuerlichen Bussen, die man bis zum Bersten gestopft voller Menschen heranrattern sah. Nach dem wieder üppigen Lunch im Hotel wurde der Pekinger Lama-Tempel besichtigt. Es ist der größte außerhalb
Am frühen Abend chauffierte man die ganze Gesellschaft zum „Freundschaftsladen“, einem Warenhaus für Ausländer, damit ein jeder sich für gute Devisen mit Souvenirs und Geschenken eindecke. Das taten dann auch alle, ich natürlich mit. Ich erstand vor allem Lackdöschen, verschiedene Siegel, Jadesachen und ein paar Bücher über das, was ich gesehen hatte. Geld brennt mir in der Tasche, also lasse ich es heraus.
Alle (9) Fotos © Frank Becker
Lesen sie an dieser Stelle morgen den zweiten Teil dieses Reiseberichtes...
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