Der Zeichner als Erzähler (9)

“Der Mops von Bornholm” - von Emanuel Eckardt

von Joachim Klinger

© Hanser Verlag

Der Zeichner als Erzähler
 
Bildbücher, die ich nicht missen möchte (9)
 
von Joachim Klinger



IX
 
“Der Mops von Bornholm” von Emanuel Eckardt
(insel taschenbuch, Insel Verlag, Frankfurt a.M. 1985)
 
Ein knapper Eintrag unter “Emanuel (Ps.)” im Karikaturisten-Lexikon von Kurt Flemig informiert:
 
            “geb. 1942
            Bürgerl. Name: Emanuel Lorenz Eckardt
            Pressezeichner, Karikaturist / Hamburg
            Tätig für das Hamburger Abendblatt.”
 
Im Vorspann zu seinem Büchlein, das ich vorstellen möchte, erfahren wir etwas mehr: er hat an der Werkkunstschule in Hamburg bei Wilhelm M. Busch Illustration und Buchgraphik studiert, also einen hervorragenden Lehrmeister gehabt. Als Reporter beim “Stern” erhielt er 1982 den Egon Erwin Kisch-Preis für die beste Reportage in deutscher Sprache. 1984 wurde er stellvertretender Chefredakteur bei “Merian”. Offenbar interessiert er sich für unterschiedliche Bereiche der Kultur und greift nun lieber zur Schreibfeder als zum Zeichenstift. Schließlich wird noch mitgeteilt, daß Eckardt verheiratet ist, drei Kinder hat und einen Mops.
 
Daß ein Mops zum künstlerischen Schaffen animiert, wundert uns nicht. Ein zerknautschtes Gesicht mit hervorquellenden Augen und tragisch-komischem Ausdruck, ein ständiges Schnaufen und Schniefeln, der possierliche Gang … Möpse waren die ständigen Begleiter von Loriot, und ich habe den heimlichen Verdacht, daß Loriot Mitwisser des von Eckardt offenbarten Geheimnisses ist. Daß nämlich
            “an der rauhen Nordseite der kleinen Insel Bornholm”
an einem verborgenen Ort wilde Möpse leben (Zitat aus dem “Mops von Bornholm“). Immerhin hat Loriot wilden Möpsen einen kleinen Film gewidmet. Dort treten sie allerdings mit kurzem Gehörn auf und scheinen Wäldern Bayerns zu entstammen. Vielleicht eine besondere Rasse.
 
In “Der Mops von Bornholm” erzählt Emanuel Eckardt die Geschichte eines wilden Mopses auf Bornholm, der über die Gabe gewaltigen Gesanges verfügt und deshalb von seinem Volk ausgeschlossen und vertrieben wird.
 
“Und eines Morgens, als er wieder im Steinbruch gesungen hatte, versperrten sie ihm einfach den Rückweg …”
 
Der einsame Wildmops findet nach Tagen und Nächten rastlosen Streunens freundliche Aufnahme bei einer alten Dame, die ihn nicht nur pflegt und beköstigt, sondern ihm auch vorliest, z.B. aus dem Roman “Hunger” von Knut Hamsun. Die alte Dame lebt zwar allein, aber Morten – so nennt sie den Mops – merkt bald, daß sie
 
            “auch eine Art Rudel hatte; das waren ihre Freunde.”
 
Diese Freunde sind skurrile Typen, ein bärtiger Maler, der triste Küstenlandschaften malt, eine dicke Antiquitäten-Händlerin mit viel Krempel in einer Scheune und ein junger Keramiker mit langem strähnigem Haar.
 
Einmal wöchentlich versammeln sich diese Menschen, um zu musizieren. Die alte Dame spielt auf einem schönen Konzertflügel, der Maler bläst die Tuba, die Händlerin streicht über die Saiten eines antiken Violoncello, und der Keramiker bemüht seine elektrische Gitarre.
Und Morten Wildmops? Der macht natürlich mit! Er singt und singt …
 
“Morten wuchs über sich selbst hinaus. Er schmetterte die Arien und sang die Lieder in seiner wohltönenden, melodischen Stimme immer verführerischer …”
 
So etwas bleibt nicht verborgen. Auch der Chefmanager einer großen Schallplattengesellschaft, der sich auf Bornholm erholen will, hört davon und stattet der alten Damen und dem singenden Mops einen Besuch ab. Er findet Morten “tierisch” und sagt:
 
“Mann! Mops! Du bist die Supernummer!
            Dich mach’ ich zum Renner!”
 
Eine glänzende Karriere steht Morten bevor. Aber wird er dem Manager in die große Welt der Kunst folgen? Der Ausgang der Geschichte sei hier nicht verraten!
Preisgeben aber muß ich etwas, was ich bisher verschwiegen habe. Es ist das einzige humoristische Buch Eckardts. Ein Buch mit farbigen Bildern, die höchsten Ansprüchen genügen und Eckardt als Karikaturisten von Rang zeigen. Insbesondere die drei Freunde der alten Dame sind einprägsame Typen. Läßt Traxler in seinen farbigen Zeichnungen den gestandenen Landschaftsmaler erkennen, so versetzen Eckardts Meerbilder in Erstaunen. Es sind grandiose Gemälde.
 
Dieses Büchlein ist manchem Werk Ungerers oder Sendaks ebenbürtig. Aber es steht allein – schade! Trösten wir uns: es ist einzigartig!
 
 
 Lesen Sie morgen an dieser Stelle den letzten von insgesamt 10 Teilen der Serie von Joachim Klinger