Reichlich Lokal-Kolorit

„Kasimir und Karoline“ in Düsseldorf

von Andreas Rehnolt

„Kasimir und Karoline“
verkrachen sich auf der größten Kirmes am Rhein
 
Marianna Salzmanns Horváth-Bearbeitung
am Düsseldorfer Schauspielhaus
von Nurkan Erpulat inszeniert
 
 
Düsseldorf - „Kasimir und Karoline“ tummeln sich in der aktuellen Inszenierung des Düsseldorfer Schauspielhauses mal nicht auf dem Münchner Oktoberfest, sondern verkrachen sich auf der größten Kirmes am Rhein - in der NRW-Landeshauptstadt. Mit Blasmusik und geschätzten 150 Bierzelt-Garnituren bei sonst eher spärlichem Bühnenbild bringt Regisseur Nurkan Erpulat das Horvátht-Stück in der Bearbeitung der Kleist-Preisträgerin Marianna Salzmann mit reichlich Lokal-Kolorit auf die Bühne im großen Haus.
 
Von der Sprache des eigentlichen Autors ist nicht mehr viel in dieser Inszenierung übrig. Bis auf die Grundkonstellation, wie es der Liebe und dem Einzelschicksal angesichts von Arbeitslosigkeit und zunehmender Unsicherheit über das eigene Leben ergeht. Ganz zu Beginn vor dem goldenen Vorhang wird der Rheinwiesen-Rummel inklusive rotem Band und nicht funktionierender Schere eröffnet. Grandios ist Rainer Galke, der hier den amtierenden Oberbürgermeister Dirk Elbers treffend karikiert und auch später als versoffener und widerlicher Frauen-Abschlepper überzeugt.
Im Gewirr der Biertische mit einem auf der Bühne angeschlagenen Altbier-Faß verkrachen sich der gerade arbeitslos gewordene Kasimir und seine Verlobte Karoline quasi von jetzt auf gleich. Während dem von Till Wonka leidend und sich selbst bemitleidend gespielte Kasimir der rheinische „Spaß an der Freud“ fehlt, sehnt sich Mareike Beykirch als hübsch-naive Karoline nach einem Eis, nach einer Achterbahnfahrt, nach gesellschaftlichem Aufstieg und nach Alkohol. Den läßt sie sich im Verlauf der zweieinhalbstündigen Aufführung dann reichlich einschenken und lallt und schwankt entsprechend über den Rummelplatz.
 
Zunächst mit dem Zufallsbekannten Schürzinger, der sie anfangs noch interessant und dann nur noch als seiner Karriere dienlich betrachtet, später mit dem versoffenen Rauch (Rainer Galke), der ihre kindliche Naivität ausnutzt und sie am Ende mißbraucht. Kurz vor der Pause senkt sich die goldene Bühnenwand und davor wieder das um zahlreiche Statisten erweiterte Ensemble der Kirmesbesucher, die an sich selbst leidend davon erzählen, daß die Zuschauer ihnen eh' davonlaufen, daß „wir für Qualität sorgen müssen“ und damit die aktuelle Situation des Schauspielhauses in die Inszenierung hieven, das nach dem Rücktritt des Kurzfrist-Intendanten Holm eigentümlich weiter macht und mögliche Fehler auf jeden Fall nicht bei sich selber sucht.
 
Nach der Pause geht der Rummel weiter, für den sich der Zuschauer die möglichen bunten Bühnenbilder von den Fotos aus dem Programmheft vorstellen muß. Eine so unbunte Kirmes hat es auf den Oberkasseler Rheinwiesen in der Realität Gott sei dank noch nie gegeben. Die Blasmusik intoniert eins ums andere Mal „Warum ist es am Rhein so schön....“, der großartige Taner Sahintürk als aggressiver, saufseliger und krimineller Merkl Franz übernimmt in der Inszenierung immer mehr die Hauptrolle. An seiner Seite die starke, intelligente Erna, die Stefanie Rösner leidend-liebend verkörpert. Natürlich kriegt sie hier in Düsseldorf nicht eine Maß Bier ins Gesicht gekippt, sondern ein halbvolles Altbierglas. Das sitzt aber.
Und dann - vielleicht in der 110. Minute des Abends kippt die Kirmes und Sahintürk wendet sich ans Publikum. Kennen sie Arbeitslosigkeit, fragt er, können sie die Menschen hier auf der Bühne in einer solchen Situation verstehen? Was verdienen Sie, was kostet ein Platz in der ersten Reihe des Schauspielhauses? Antworten kommen - auch am Abend nach der Premiere nur zögerlich. Verunsicherung macht sich breit. Dann wird weiter gespielt. Der wunderbare Christian Ehrich als singende Juanita, ist als Transvestit irgendwann tot. Die Nachbarstadt Köln wird als Tunten- und Homometropole bezeichnet, der halbseidene Chef des ins Gerede gekommenen Düsseldorfer Nobel-Puffs kriegt sein Fett ab und dann kurven Karoline und Rauch betrunken und in eindeutigster Haltung in einem Cabriolet davon.
 
Über allem kreist ein imaginärer Zeppelin, aus dem zum Ende der Vorstellung Unmengen Geldscheine auf die Bühne schneien. Irgendwann dann ist der Merkl Franz verhaftet, Erna schmiegt sich an Kasimir und Karoline bleibt nichts anderes übrig, als mit dem schmierigen Schürzinger abzuziehen. Ein bißchen lang die Rheinkirmes im Schauspielhaus Düsseldorf. Der Applaus am Ende klang bei der 1. Vorstellung nach der Premiere zwar nicht begeistert, aber doch zufrieden. Mal sehen, ob wir „Kasimir und Karoline“ demnächst beim Kölner Karneval erleben oder bei der Soester Allerheiligenkirmes.
 
Nächste Vorstellungen: 29. Mai, 1., 11., 15. und 19. Juni jeweils um 19.30 Uhr