Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Der große Entschuldigungsfilm
und andere Merkwürdigkeiten


19. Januar: Der große Entschuldigungsfilm  Ein Film, indem alle sich nur entschuldigen. Ein Mann geht los mit einem Strauß Blumen, um sich bei seiner Freundin zu entschuldigen. Auf dem Weg dorthin trifft er einen Bekannten, der sich gerade bei ihm entschuldigen möchte. Der Autoverkäufer entschuldigt sich auch bei ihm, weil der Gebrauchtwagen, den er ihm verkauft hatte, nicht so gut war. Er trifft seinen ehemaligen Lehrer, der sich bei ihm entschuldigt, weil er ihn als Schüler ungerecht behandelt hat. An der Straße steht ein Mann, der zu seiner Gitarrenmusik ein Entschuldigungslied singt. So entschuldigen sich alle, als er am Schluß des Filmes zu seiner Freundin kommt, liegt sie mit einem fremdem Mann im Bett. Beide entschuldigen sich natürlich. Am Ende entschuldigt sich auch der Regisseur des Filmes bei seinen Zuschauern.
 

17. Januar: Der Nützlich Macher  Irgendwas kann man immer. Natürlich sieht man das nicht immer auf den ersten Blick. Es gibt Menschen, die haben zwei linke Hände, andere haben sofort einen Plan und wieder andere können Butterbrote schmieren. Manchmal steht man bei diesen Könnern herum und weiß nicht, wie man sich einbringen kann. Man könnte loben: So wie ihr das Klavier tragen könnt, das ist schon der Hammer.“  
 
18. Januar: wie Herr Maus immer kleiner wurde  Herr Maus wurde immer kleiner.
Zuerst konnte er sich nicht im Spiegel erkennen, dann hing seine Jacke an ihm, als wäre es ein Mantel. Am Dienstag nannte ihn dann die Bedienung seines Stammcafés nur noch „Mau“. Sie fragte, ob er wie immer seinen Cappuccino trinken wolle. Herr Maus war überrascht. Er trank dort nie einen Cappuccino, sondern nur heiße Milch mit Honig und natürlich hieß er nicht „Herr Mau“, sondern „Maus“, wie das Grautier. Am nächsten Tag wurde es nicht besser. Er stand umständlich auf und bekam die riesengroße Zahnbürste kaum in seinem Mund. Er aß ein Brötchen und war davon satt wie nach einem Drei Gänge Menü. Später traf er den Briefträger, der ihm einen Brief brachte auf dem stand: „An Herrn Ma, Piepenturmweg 18 A, in 33 100 Paderborn.“ „Lieber Herr Ma, könnten sie bitte den Empfang des Briefes bestätigen?“ Herr Maus unterschrieb und bevor er seinen ganzen Namen schreiben konnte, hatte ihm der Briefträger schon wieder den Stift aus der Hand gerissen. Später traf er seine Freundin, die ihn „M“ nannte, Konnte das sein? Sie aßen gerade einen Kuchen, als sie „M“ sagte, wolltest du nicht etwas sagen? Du bist so still geworden?“ Herr Maus dachte nach. So konnte das nicht weiter gehen. Er kam sich vor, als wäre er kaum noch da.
Herr Maus stand plötzlich auf. „Moment mal“, sagte er. „Ich heiße Maus“. Alle schauten ihn an, als würden sie ihn zum ersten Mal so richtig bemerken. „Nicht Mau nicht Ma und nicht M, sondern Maus.“ Seine Freundin lachte. Sie war stolz auf ihn. Er merkte, wie er wieder groß war und fühlte sich gut.


© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker