Schatzkammer der Vergangenheit

Deutschlands Supergrabungen - Hrsg. v. Alexander Hesse

von Friederike Hagemeyer

Deutschlands Schatzkammer
der Vergangenheit
 
Nehmen wir Berlin: 1989 - die Mauer fällt. Wer weiß denn zu dieser Zeit noch etwas über die Entstehungsgeschichte der deutschen Hauptstadt? Wem ist noch bekannt, daß diese Stadt auf zwei mittelalterliche Gründungen zurückgeht? Nämlich das auf der Spreeinsel gelegene Cölln und das am Nordostufer der Spree gelegene Berlin?
1990 gibt es auf der Berliner Seite zwar noch das 1987 künstlich wieder hergestellte „Nikolaiviertel“ rund um die alte Nikolai-Kirche, an der einst Paul Gerhard predigte, aber sonst?
Wo bis 1951 das Berliner Schloß stand, steht zur Zeit der Wende der in den 1970er Jahren erbaute „Palast der Republik“ und wo bis 1960 der schlanke Turm der Petrikirche das Zentrum des alten Cölln markierte, ist nun ein Parkplatz, dicht daneben die auf Schnellstraßenbreite erweiterte Gertraudenstraße; sie trennt den alten Stadtkern, den „Fischerkiez“, der Hochhausbauten weichen musste, von seiner alten Mitte.
 
Grabungen im Herzen Berlins
 
Seit 2007 wird am Petriplatz gegraben, und es wird Erstaunliches entdeckt: Neben den erwarteten Fundamenten früherer Petrikirchen lag ein bisher unbekannter großer Friedhof mit 3.700 Bestattungen; direkt angrenzend die ersten Häuser, erbaut kurz nach 1200 und damit 30 Jahre vor dem bisher angenommenen Gründungsjahr Berlins, 1237.
 
Gegraben wird auch auf der Berliner Seite vor dem „Roten Rathaus“. Dort treten die Grundmauern des (ersten?) Rathauses zutage. Der 39m lange und 17m breite sorgfältig gemauerte Backsteinbau aus der Zeit um 1300 zeigt deutlich, welche Bedeutung das aufstrebende Berlin um diese Zeit bereits hatte. Im Keller dieses Baus, der offensichtlich als Markt oder Kaufhaus diente, werden hunderte von Münzen gefunden, die einst durch die Dielenbretter rutschten oder im Lehmboden versanken, eine einzigartige Quelle für die Wirtschaftsgeschichte des mittelalterlichen Berlins. Nach Abriss des „Palastes der Republik“ finden auch rund um das alte Schloss sowie unter den Schlosskellern archäologische Forschungen statt.
Die Auswertung aller dieser Funde wird Historiker noch über Jahre beschäftigen und möglicherweise zu mancher Neubewertung bisheriger Fakten führen.
 
Ein spannendes und nützliches Buch
 
Das geschilderte Berliner Beispiel entstammt dem Buch „Deutschlands Supergrabungen“, hrsg. von Alexander Hesse, erschienen 2012 im Theiss-Verlag, Stuttgart.
Buch und gleichnamige Fernsehreihe haben es sich zur Aufgabe gemacht, auf die Schätze in Deutschlands Boden und deren Gefährdung „durch Bauvorhaben, Raubgräber, Gülle und sauren Regen“ (S. 6) aufmerksam zu machen, ein wahrhaft unterstützenswertes Ziel!
In kurzen spannend geschriebenen, mit wunderbaren Fotos ausgestatteten Abschnitten werden 20 Grabungen und ihre Geschichten vorgestellt. Die Fundorte erstrecken sich von Österreich und dem Bodensee bis in die Nord- und Ostsee hinein; die entdeckten Hinterlassenschaften überspannen einen zeitlichen Rahmen von ca. 33.000 v.Chr. bis 1963, also bis in unsere Tage. Jedem Abschnitt ist ein „Steckbrief“ vorangestellt, der über die Fakten der jeweiligen Grabung, wie z.B. über die zeitliche Zuordnung, die Umstände der Entdeckung und die Art der Funde informiert. Abgeschlossen werden die Artikel mit „Touristischen Hinweisen“ zu den jeweiligen Orten und den zugehörigen Funden. Angaben zu den Webseiten von Ausgrabungsprojekten und Internetadressen der ausstellenden Museen sind hier zu finden; eine außerordentlich nützliche Information, die hoffentlich dazu beiträgt, das Interesse an archäologischen Funden zu verbreiten.
 
Dieses gut lesbare, sehr informative und nützliche Buch ist allen archäologisch Interessierten zu empfehlen, egal ob sie die ZDF-Reihe kennen oder nicht.
 
 
Alexander Hesse (Hrsg.) - Deutschlands Supergrabungen
© 2012 Theiss Verlag, 1. Auflage, 176 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit rund 100 farbigen Abbildungen,17 x 24 cm.
ISBN 978-3-8062-2630-0
19,95 €