„Kann denn Klassik witzig sein?“ – Und wie !!! Unterhaltsame Mozartkugeln von Hans Liberg
Vor 50 Jahren gab es einen Engländer, der hieß Gerard Hoffnung. Sein Hobby war die Musik – die klassische - außerdem war er ein echter Witzbold. Er spielte in einem großen Orchester vorzüglich Tuba und zeichnete (weil man als Tubist halt nicht so oft drankommt) Cartoons über seine Orchesterkollegen. Später mauserte er sich zum Dirigenten und kreierte sein „Hoffnung Sinfonie-Orchester“ mit eigenem Chor. Bekannt wurde er durch seine stets ausverkauften Konzerte in der gigantischen Royal Albert Hall, wo er renommierte klassische Konzert- und Opernmusik zu einem irrwitzigen Classic-Cross-Over neu und sehr humorvoll arrangierte. Hoffnung Sein „Concerto Popolare“ (eine Mischung aus Tschaikowsky, Rachmaninow und Grieg), seine „Grand Overture“ (mit Staubsaugern + Putzfrauen) oder sein „Opernhorrortorio“ bzw. „Let´s fake an opera“ (eine Mischung berühmter Arien und Vorspiele diverser populärer Werke) gelten unter fossilen Klassikkennern weiterhin als unerreichte Kultstücke; unvergessen immer noch seine Walküre auf dem Fahrrad, Lohengrin im Einkaufwagen oder das regelmäßig zelebrierte Erschießen von Hustern. Das Publikum (alles noble Engländer im edlen Zwirn, als gingen sie in die Royal Opera) zollte diesen Konzerten geradezu frenetisch Applaus. Allerdings erschlossen sich die tiefsinnigeren Gags wirklich nur Menschen, die sich in der Klassik etwas auskannten. Wenn man heutigem Publikum derartiges noch einmal vorspielt – was ich immer noch regelmäßig versuche – bekomme ich meist die Reaktion: „Über was lachen die eigentlich?“ Verständlich, denn heuer ist jegliches Bildungspublikum aus den Konzerthäusern und Theatern entweder geflohen oder hat sich PISA-bedingt umorientiert. Die Klatschmarschgeneration ist eingezogen; gestern André Rieu in Köln, heute „Aida“ in Krefeld; morgen Helmut Lotti beim Pavarotti-Gedächtnis-Konzert und übermorgen Grönemeyer „auf Schalke“. Standing Ovations sind nicht mehr die Ausnahme, sondern werden für mittlerweile jeden „Kappes“ zelebriert. Seichtigkeit ist leider allgemein angesagt. Was für ein Spaß müßte es für einen humorvollen musikalischen Kabarettisten sein, diese unsere aktuelle reale Lebens- und Musik-Welt widerzuspiegeln. Doch dazu bräuchte es einen Wunderknaben, der uns mit einer Prise Sarkasmus und fröhlich distanzierender Ironie mal den Spiegel vorhält. Idealerweise müßte er verschiedene Musikinstrumente perfekt beherrschen und sich im Genre Klassik geradezu so leichtfüßig bewegen wie einst Jesus auf dem Wasser. Da man mit Klassik alleine heute keinen Menschen mehr zum Lachen bringt, sollte ein intelligentes Misch-Konzept vorhanden sein; will sagen: eine Mixtur aus echten, guten Schlager-Hits (Merke: gute Musik kennt keine Gattungen!) und Sounds dieser klassischen alten „Rockerband“ (Mozart, Beethoven, Wagner, Tschaikowsky….& Co.) Neue Hoffnung Aufgemerkt: Es gibt einen solchen „Wunderknaben“! Er heißt Hans Liberg, ist Holländer und feiert bald sein 25-jähriges Bühnenjubiläum. Hans Liberg - seriöser Musikprofessor und Emmy-Gewinner - wird von Jahr zu Jahr besser. Da er schon vor Jahren von der Kritikerzunft zu Recht mit dem Lob „Weltklasse“ bedacht wurde, fehlen mir jetzt steigernde Worte. Am Samstag trat er mit seinem neuen Programm „Die Neunte“ im Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen auf und bestätigte seinen guten Ruf aufs Feinste. Diesmal ist Liberg ganz alleine auf der Bühne, aber er füllt sie mit vielfältigem Instrumentarium, einem Steinway, einer Computerorgel, Horn, Tuba, Gamba und diversen abgespeicherten und abrufbaren Sound-Clustern – das klingt so voluminös, als sei ein ganzes Sinfonieorchester vor Ort. Damit dieses stellenweise „nur auf den Knopf drücken“ ausreicht, arbeitet im stillen Hintergrund ein perfektes Technikerteam, das diese One-Man-Show in jeder Hinsicht auch zum großen Klangerlebnis für Konzertsäle zaubert.
Didaktisch genial gestaltet Liberg einen musikalischen Weg von der Moldau bis zum Rhein, von Grieg über Tschaikowsky zur chinesischen Klangkultur einer Kungfu-Türklingel oder diverser Mobiltelefon-Klingeltöne – das „Pink Panther Thema“ ist immer dabei, und sein Landsmann Rieu kriegt so regelmäßig sein Fett wie auch Helmut Lotti. Steht auf... Dabei ist Liberg bei seinen vielen Konzerten stets immer auch auf den jeweiligen Ort orientiert, spricht den Lokalpatriotismus an: Samstagabend in Gelsenkirchen lief sein Running-Gag unter „Steht auf, wenn ihr Schalker seid…“. Hans Liberg ist ein vielschichtiger musikalischer Genius mit teilweise sehr schwarzem Humor (G. Hoffnung läßt grüßen!), versteht sich aber auch blendend aufs Populärhumoristische, wenn er zum Beispiel eine Arie mit den Inhalten der Speisekarte einer Pizzeria füllt. Zwei Stunden, die wie im Flug vergehen. Und wenn Hans Liberg am Ende die mehr rhetorisch gedachte Frage stellt: „Haben Sie noch einen Wunsch?“, dann muß er selber schmunzeln, als ihm ein vollmundiges „Dacapo!“ widerhallt. Ein ganz wunderbarer Abend. Dieser Künstler hat seine „Standing Ovations“ wirklich ernsthaft verdient.
(Weiteres unter: www.hansliberg.com). Wer es nicht schafft, sollte sich zumindest die DVD „Liberg TATATATA“ - eine Aufzeichnung seines letzten Programms – bestellen (Berg Berg Produkties, Maliesingel 14, 3581 BC Utrecht). Garantie für zwei wirklich unterhaltsame Stunden vor dem Fernsehschirm; auch ein perfektes Geschenk für Musikfreunde jeden Alters. Lesen sie auch: www.deropernfreund.de |