„Merkwürdig, höchst merkwürdig“

Dino Buzzati - "Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder"

von Frank Becker

„Merkwürdig, höchst merkwürdig“
 
So geheimnisvoll, skurril, mysteriös und phantastisch wie Dino Buzzatis Erzählungen ist auch die Titelei dieser vor einem Jahr in schöner Aufmachung bei Wagenbach erschienenen Auswahl von Texten des irgendwo zwischen Franz Kafka und Hermann Harry Schmitz, Bruno Schulz und Ernst Kreuder einzuordnenden italienischen Autors. Heißt es noch auf Umschlag und Rücken „Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder“, reduziert sich der Titel auf Innentitel und Impressum auf „Aus Richtung der unsichtbaren Wälder“. Paßt zwar irgendwie besser zu Buzzati, muß aber tatsächlich „Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder“ heißen, vgl. S. 99. Das Rätsel besteht seit einem Jahr auf der Heimseite des Verlages fort. Scheint niemand bemerkt zu haben. „Merkwürdig, höchst merkwürdig“ hätte Hermann Harry Schmitz das kommentiert.

Aber kommen wir zum Autor und seinem in der italienischen Literatur einzigartigen Erzählwerk. „Ein äußerst einfallsreicher, leicht paranoider Autor, Generationsgenosse und Freund von Albert Camus, neu vorgestellt. Ein Klassiker der italienischen Literatur“, schreibt der Verlag zu Buzzatis Erzählwerk – hat damit Recht und geht noch nicht weit genug. Buzzati (1906-1972) war und ist ein unerreichter Meister des Auslotens beklemmender Urängste, zugleich mit ungeheurer Fabulierkunst, sarkastischem Humor und köstlicher Schadenfreude gesegnet. Seine exemplarischen Erzählungen der Wagenbach-Auswahl in den bewährten Übersetzungen von Hilde Linnert, Percy Eckstein und Wendla Lipsius, Luigi Erné und Nino Erné, Fritz Jaffé, Ingrid Parigi sind aus den zwischen 1952 und 1991 bei u.a. DVA, Herbig, Reclam, Suhrkamp und Fischer erschienenen Sammlungen zusammengestellt worden. Wieso dabei z.B. Fritz Jaffés frühere Titel-Übersetzung (1952) von „Panik in der Scala“ („Paura alla Scala“) zu „Angst in der Scala“ gemildert wurde, darf gefragt werden – ist doch „Panik“ hier die akkurate Vokabel. Aber das tut der Geschichte zum Glück nichts, denn sie bleib wie sie war.

Buzzatis 11 Erzählungen (noch so ein kleines Geheimnis: nicht 12, wie Klaus Wagenbach in seinem Nachwort schreibt) sind Lesefutter erster Güte, am besten mit einem anständigen Glas Wein beim Kamin oder in ratternden Fernzügen zu lesen. Aber die rattern ja gar nicht mehr. Ich kann Ihnen dies vor Phantasie und außergewöhnlich brillanter Erzählkunst sprühende Büchlein mit seinen gelungenen Übersetzungen trotz aller kleinen editorischen Mängel unbedingt ans Herz legen. Damit kommt an tristen Tagen jedenfalls keine Langeweile auf. Eine herzliche Empfehlung der Musenblätter.
 
Dino Buzzati – „Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder“
Mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach
2011 Wagenbach SALTO, 144 Seiten, rotes Leinen, Fadenheftung -  ISBN 978-3-8031-1278-1
15,90 €
 
Weitere Informationen:  www.wagenbach.de