„Ymm Walde“

Barbara Happe – „Der Tod gehört mir“

von Jürgen Kasten
„Ymm Walde“
 
Der Tod gehört mir
 
Dr. Barbara Happe, 1951 geboren, hat schon viel zum Thema Bestattungskulturen geschrieben. Sie ist Kulturwissenschaftlerin und Volkskundlerin. Nun wurde ein aktuelles Werk von ihr veröffentlicht, das sich umfangreich mit den Phänomenen unterschiedlicher Bestattungsarten in Europa befaßt.
Nach der katholischen Lehre mußten Grab und Kirche als Ort eine unmittelbare Einheit bilden, da nur so das Seelenheil gewährleistet war. Inzwischen gilt auch für Katholiken dieses Dogma nicht mehr. Im 15. Jahrhundert war es Luther, der es auflöste. Für ihn hatte der Bestattungsort keine Auswirkung auf das Seelenheil. Er konnte sich sogar vorstellen, „Ymm Walde“ begraben zu sein.
Seit dieser Zeit hat sich vieles verändert. Bestattungen in unmittelbarer Kirchennähe gibt es immer noch, daneben aber auch Friedwälder, Urnenbestattung, Seebestattung, anonyme Beisetzungen und einiges mehr. Dabei ist, aus religiöser Sicht nicht ganz unumstritten, die Urnenbestattung zur Zeit die am meisten gewählte Bestattungsart. Ihr Anteil liegt in Deutschland bei 62 %, in der Schweiz sogar bei 82 %, während im katholischen Polen nur 7 % und in Italien 11 % der Verstorbenen derart komprimiert in die Erde gelangen.
Max Frisch hatte sich, wie viele andere Schriftsteller, Künstler und Philosophen auch, darüber Gedanken gemacht und die gewünschte Beerdigungsart begründet: Er sah keine Existenz ohne Materie. Da die Seele nicht unkörperlich ist, zerfällt sie nach dem Tode mit dem Körper in Atome. Diese können daher unbesorgt mit der Asche der Natur zurückgegeben werden. „Es gibt kein Leben nach dem Tode“.
Andy Warhol war in etwa gleicher Meinung. Er wollte nach seinem Tode ins Nichts entschwinden, sich einfach auflösen, sodaß nichts mehr von ihm übrig bliebe. Kurz vor seinem Tode entschied er sich aber um und legte nun genau fest, wie er in einem Sarg aufgebahrt und begraben werden möchte.
„Widersprüchlichkeiten und Ambivalenz allenthalben“, schreibt Barbara Happe im letzten Kapitel des Buches.
 
Jahrtausende Sepulkralkultur
 
Sechs DIN A 4-Seiten Literaturhinweise belegen, wie umfangreich sie recherchiert hat. Sie spannt dabei einen Bogen von der Antike über die Römer zu Augustinus, ins Mittelalter, zu Luther, dem 19. Jahrhundert, bis in die Jetztzeit.
Bereits 1874 wurde in Deutschland der erste Feuerbestattungsverein „Die Urne“ gegründet. Seit 2001 gibt es die Möglichkeit, sich in einem Friedwald zum Beispiel an der Wurzel eines Baumes begraben zu lassen und sogar die Kirchen wurden innovativ. Als Folge von Kirchenleerständen, auch um Kirche und Verstorbene wieder zusammen zu führen, wurden ab 2006 einige Kirchen umgewidmet. Sie wurden zu Urnenkirchen, in denen die Asche der Toten im Kirchenschiff architektonisch ansprechend aufbewahrt wird.
Barbara Happe legt ein überaus informatives Buch vor, das auch von der Aufmachung her mehr als sehenswert ist. Zitate bekannter Persönlichkeiten zum Thema Bestattung und viele Zeichnungen, Fotos und Grafiken runden das Ganze ab.
Einen Hinweis auf Fritz Roth, kreativer Bestatter aus Bergisch Gladbach, Gründer des ersten privaten Friedhofs, Verfechter alternativer Bestattungsformen, Publizist und bundesweiter Berater zum föderalistischen Bestattungsgesetz, vermisse ich allerdings.
 
Barbara Happe – „Der Tod gehört mir“
© 2012 Dietrich Reimer Verlag, Berlin, 176 Seiten, Hardcover, 72 Farb- u. 14 sw-Abbildungen, 28,6 x 21,8x 1,6 cm  -  ISBN: 978-3-496-02856-7
€ 29,95
 
Weitere Informationen: www.reimer-verlag.de


Museum für Sepulkralkultur, Kassel (Ausgang) - Foto  Jürgen Kasten