Der Untergang des Abendlands
und die Böllerkrützens Hermann Harry Schmitz (1880-1913) ist eines der am heftigsten unterschätzten Genies der deutschen Literatur des erwachenden 20. Jahrhunderts. Sein Lebenswerk ist so schmal, wie sein Leben kurz war, doch es hat alles, was nötig ist, einen Dichter unsterblich zu machen. Seine bei Kurt Wolff verlegten beiden Bände „Buch der Katastrophen“ und „Der Säugling und andere Tragikomödien“ mit ihren unnachahmlich skurrilen grotesken Erzählungen, die in ihrer genialen Komik bis Eugen Egner (*1951) keine Entsprechung gefunden haben, waren nach Erfolgen zu Lebzeiten Schmitz´ bis zur Wiederentdeckung durch Diogenes 1966 und zu der prächtigen Neu-Edition durch Haffmans 1988 quasi vergessen. Dabei bergen sie das Elementare des Lebens und seiner fortwährenden Irrtümer. Die liebevolle Würdigung und Bewahrung des Schmitzschen Literaturschaffens wird glücklicherweise konsequent durch eine ihm gewidmete Gesellschaft gepflegt, der Transport seiner Werke erfolgt aber auch durch Schallaufnahmen, deren aktuellste sich der vorzüglichen Interpretation seiner Texte durch den Kabarettisten Konrad Beikircher und den Schauspieler Frank Meyer bedient. Eine Doppel-CD des Audiobuch-Verlages in Kooperation mit dem WDR dokumentiert eine von Meyer konzipierte und eingerichtete öffentliche Veranstaltung des Rundfunksenders vom 9. Juni 2005, in der eine Auswahl Schmitzscher Texte, verknüpft durch witzige Moderationen und angereichert mit Zwischentexten Meyers ein Bild des skurrilen Humors entwirft, der Hermann Harry Schmitz vor anderen auszeichnet. Mit einer Schmitz angemessen kongenialen Doppel-Lesung von „Das Denkmal Noahs“ eröffnen Beikircher und Meyer. Der Hörer ist vergnügt und lauscht. Doch schon bei dem folgenden „Im Sanatorium“ trübt sich die Freude, ist doch gleich und deutlich zu bemerken, daß Frank Meyer den Text des Originals stark verändert hat, wohl, um ihn zu erläutern bzw. zu „erklären“. Das geht nicht. Wer Schmitz in seiner Original-Sprache nicht versteht, soll es einfach lassen. Ihn posthum „verbessern“ zu wollen ist ein unduldbares Sakrileg. Dies gilt auch für weitere Eingriffe, die sich Frank Meyer erlaubt und die von Schmitzianern nicht hingenommen werden können. Die genannten beiden ersten Stücke füllen ob ihres Umfanges die erste CD.
Mit Beikirchers buchstabengetreuer köstlicher Lesung von „Der interessante Kopf“ hebt CD 2 an, gefolgt von einer sehr freien Bearbeitung Meyers des Schmitzschen Textes von „Was mir an der Table d´hote in der Sommerfrische passierte“. Originell, aber nicht original. Nach dem „…überaus vornehmen Friseur“ folgt ein Schmitz nachempfundener Meyer-Text - warum um Himmels Willen kann man nicht einfach nur das Genie verehren, wie es schon Schiller vorschlägt? Konrad Beikircher macht es mit der vorzüglichen Lesung der grausigen Moritat „Das verliehene Buch“ wieder wett. So muß Schmitz gesprochen werden: WORT – FÜR – WORT. Daß Meyer es kann, belegt er mit „Vereinfachung im Eisenbahnverkehr“, einem aussichtslosen Kampf gegen die Beförderungsbedingungen der Bahn. „In einer kleinen Stadt am Lech/kommen immer Tanten wech.“ – damit und mit der Moritat von Toni Bender und den „Sechs Tanten“ schließt CD 2. Ein herrliches Vergnügen, besonders dem entspannten Vortrag Beikirchers geschuldet. Schade nur, daß weder spärliches Leaflet noch CD-Cover-Rückseite die interpretierten Texte ansagen oder auflisten. Hermann Harry Schmitz - Grotesken
präsentiert und vorgetragen von Frank Meyer und Konrad Beikircher © 2007 Audiobuch Verlag - (P) 2007 WDR CD 1: 1. Das Denkmal Noahs - 2. Im Sanatorium Zeit: 50:28 CD 2: 1. Der interessante Kopf - 2. Was mir an der Table d´hote in der Sommerfrische passierte (freie Bearbeitung durch Frank Meyer) - 3. Der überaus vornehme Friseur - 4. Freier Text (Meyer) - 5. Das verliehene Buch - 6. Vereinfachung im Eisenbahnverkehr - 7. In einer kleinen Stadt am Lech (kamen immer Tanten wech...) Zeit: 62:59 Weitere Informationen unter: www.audiobuch.com - www.beikircher.de |