Schiller - ein Spießer?

Jörg Aufenanger - "Schiller - Eine Biographie"

von Frank Becker

Schiller – ein Spießer?
 
Schiller-Biograph Jörg Aufenanger über den schwäbischen Dichter
 
Vor 61 Jahren wurde Jörg Aufenanger in der „Fabrikstadt an der Wupper“ geboren und hat dort eine glückliche Kindheit erlebt. Nach dem Studium der Philosophie, Literatur- und Theaterwissenschaft in Berlin und ab 1968 in Paris, der Arbeit als Regisseur und Schauspieler in Frankreich und Italien kehrte Aufenanger, mittlerweile in Berlin heimisch, nach Deutschland und für einige Zeit nach Wuppertal zurück. Beiträge zum Standardwerk „Literatur im Wuppertal“, für das er als Mitherausgeber zeichnete und seine Abhandlung über die Wuppertaler Künstlergruppe „Der Turm“ (1946-1948) stammen aus dieser Zeit.
 
Als Autor und Publizist in vielen Medien zu Hause, war ihm die Betätigung als Biograph dennoch neu, als ihm nach der Anti-Biographie „Hier war Goethe nicht“ angetragen wurde, das Leben Christian Dietrich Grabbes aufzuzeichnen. Er tat es, ohne Grabbe zu mögen, doch mit Gefühl, hatte ihn doch der „Kleinstadthorror“ Detmolds im Grabbeschen Sinn erfaßt.
Nun also Schiller (1759-1805). Wieder ein Auftrag. Und auch der, bekennt Aufenanger lächelnd, gehört zu den Leuten, die er eigentlich gar nicht persönlich kennen lernen möchte. Seine Arbeit als Biograph des Mannes, der 46-jährig zu früh starb – Schiller hatte seinen Lebensplan fast spießerhaft bis 50 ausgelegt - hat er dennoch und wiederum ernst genommen, sich ihm „emphatisch“ genähert, wenn auch ohne Sympathie.
 
Abermals lächelnd bekennt Aufenanger sich auch zur Unwissenschaftlichkeit seines Buches, das auf Fußnoten, Sekundärliteratur und wissenschaftlichen Apparat verzichtet. „Das stört wohl andere, mich aber nicht“, erklärte Aufenanger, der sich im Gespräch mit dem Journalisten Stefan Seitz als eloquenter und liebenswürdiger Erzähler mit Tiefgang  präsentierte. So nähert sich denn sein Buch auch im Plauderton des literarischen Flaneurs mehr dem schwierigen Menschen Schiller, als der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Werks. Das allerdings empfiehlt Aufenanger eindringlich zur Lektüre. Mit Bedauern bemerkt er, daß ein geplantes Fernsehduell mit Rüdiger Safranski, konkurrierender Schiller-Biograph, von diesem abgesagt worden sei. Gründe wurden nicht bekannt.
 
Und sonst? „Schiller und die zwei Schwestern“ hat Aufenanger bei dtv premium veröffentlicht, für den neuen Gedichtband von Karl Otto Mühl „Inmitten der Rätsel“ hat er das Vorwort geschrieben, und nach Schiller arbeitete er an einem Buch über einen Dichter, der nach einer Revolution nach Paris gegangen ist („Aufenanger über Aufenanger?“ fragte sich damals die Presse). Heute wissen wir, daß es um Heinrich Heine ging.
Die Liaison Richard Wagners mit Mathilde Wesendonck hat er in seinem jüngsten Buch behandelt. (Morgen in den Musenblättern.)
 
Jörg Aufenanger - „Friedrich Schiller – Eine Biographie“
© 2004 Patmos/Artemis & Winkler, 325 Seiten geb., mit Namensregister
24,90 € 

Weitere Informationen unter: www.patmos.de