Hesses Strohhut

Zu Hermann Hesses 50. Todestag

von Joachim Klinger

© Joachim Klinger

Hesses Strohhut
 
Hesse lebte in der Schweiz,
ländlich, etwas abgeschieden.
Solch ein Domizil hat seinen Reiz,
denn man sucht die Schönheit und den Frieden.
 
Viele kennen seine Poesien,
doch er malte gern auch Aquarelle,
beispielsweise in der Landschaft des Tessin,
meist als wandernder Geselle.
 
Die Gedichte sind recht schlicht.
Auch die Bilder - diese strahlen
farbig und in hellem Licht
wie die Fenster alter Kathedralen.
 
Einmal saß er mit der Staffelei
wieder malend im Gelände,
hatte seinen Strohhut auch dabei
und den Lappen für die Hände.
 
Kam ein Wind, ein kleiner Stoß
- oder soll man Brise sagen? -
nahm ein Blatt von seinem Schoß
und hat auch den Hut hinweggetragen.
 
Dieser landete auf einem Hang,
wo ein Landmann Gräser mähte,
der schon bald nach dem Empfang
Hesse im Terrain erspähte.
 
Eilig brachte er den Hut zurück,
und der Meister hatte ihn gesehen,
trug schon auf dem Kopf ein gleiches Stück,
denn er wußte, wie die Winde wehen.
 
„Nehmen Sie den Hut als Souvenir!“
sagte Hesse, dankend für die Mühen.
„Sehen Sie, ich hab’ noch einen hier!“
Lächelnd ging der Mann zu seinen Kühen.
 
 
Joachim Klinger
 
Aus: "Kleinod oder Kulturklamotte im Museum Bergamotte"
Grupello Verlag 2012