Unterm weiß-blauen Himmel Bayerns

Eine Stippvisite bei drei Expressionismus-Museen im Alpenvorland

von Jürgen Koller
Unterm weiß-blauen Himmel Bayerns

Eine Stippvisite bei drei Expressionismus-Museen im Alpenvorland
 
 
Auch wenn man nördlich des „Weißwurst-Äquators“ – der Main-Linie – zu Hause ist und man die Fülle rheinisch-westfälischer Museen zu schätzen weiß, so bietet doch Bayerns Landeshauptstadt München wie sonst keine andere deutsche Großstadt, Berlin eingeschlossen, ein solch hochkarätiges, dicht bei dicht liegendes museales Angebot – seien es kulturgeschichtliche, technische oder kunsthistorische Präsentationen.
 
Buchheims „Museum der Phantasie“
 
Doch auch im Alpenvorland, südlich von München, wird der Kunstreisende - wahrlich ohne Lupe – bei der Suche nach interessanten Musentempeln fündig. In nobler Umgebung und in reizvoller Landschaft am Starnberger See, im kleinen Dorf Bernried, findet sich Lothar-Günther Buchheims „Museum der Phantasie“. Es hat einige Jahrzehnte Zeit und Nachdenken gekostet, bis Buchheim (1918-2007), dieser eigenwillige Sammler, Verleger, Kunstbuch- und Romanautor, die passenden örtlichen Gegebenheiten, das entsprechende kulturell-geistige Umfeld und eine finanzstarke Öffentlichkeit – sprich den Freistaat Bayern – fand, um das „Museum der Phantasie“ vor mehr als einem Jahrzehnt endlich Realität werden zu lassen. Versuche, eine Heimstatt für die Sammlungen der Klassik der Moderne und der deutschen Expressionisten, für die Jahrmarktattraktionen, für „naive“ Kunst und für Kunst und Kunsthandwerk aus Afrika, Asien, Südamerika und  der Südsee zu finden, scheiterten zuvor in Buchheims sächsischer Vaterstadt Chemnitz ebenso wie in der Ruhrgebietsstadt Duisburg. Dagegen erkannte Bernried am südlichen Starnberger See recht schnell, welche Chance ein solches Museum für die Gemeinde als Publikumsmagnet für Kunstfreunde aus ganz Deutschland  bieten würde. In eine weitläufige, großzügige, leicht zum See abfallende parkähnliche Landschaft hat Olympia-Architekt Günter Behnisch das Museum hineinkonzipiert. Architektonisch besonders erwähnenswert ist ein zwölf Meter über dem Wasser schwebender Steg, der einen wundervollen Ausblick auf den See und die fernen Alpen ermöglicht.  
Kernstück der Präsentation des Buchheim-Museums ist die Expressionistensammlung mit herausragenden Werken der Maler der Dresdner Künstlergemeinschaft „Brücke“ (1905 -1913).Gleich im Entree-Bereich ist das Gemälde von Erich Heckel „Pechstein schlafend“ mit seinen satten Rotflächen ein „Hingucker“. Das Bild war von Heckel übermalt worden und bildete die Rückseite der Leinwand, die auf der Vorderseite ein etwas belangloseres Bildmotiv zeigte. Neben bedeutenden Bildbeispielen von Kirchner, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Mueller und Heckel finden sich wesentliche Werke von Corinth, Beckmann, Kokoschka, Dix u.a. Dabei wechseln sich Malerei, Aquarellkunst, Zeichnungen und Druckgrafik ab.
Bis zum 7.Oktober 2012 werden noch zwei Sonderausstellungen gezeigt – Holzstöcke von Karl Schmidt-Rottluff als eine Ausstellung des Brücke-Museums Berlin und eine Präsentation von unbekannten Werken aus der Buchheim’schen Expressionistensammlung.
 
Für Interessenten maritimer Kriegsfotos wird in einem separaten Raum eine Auswahl Fotos gezeigt, die Buchheim als Frontberichterstatter auf U-Boot Feindfahrt in den Kriegsjahren gemacht und die er bis in die 70er Jahre hinein aus dem Blickfeld verloren hatte. Es sind eindringliche Dokumente des allgegenwärtigen Schreckens und der elenden Lebensumstände auf deutschen U-Booten während des 2. Weltkrieges.
Übrigens lädt das Restaurant und Café „Phönix im Buchheim Museum“ mit Sommerterrasse – Blick zum See inklusive – zum Verweilen ein.
 
 
 
Schloßmuseum Murnau
 
Günstig über die Autobahn Richtung Garmisch-Partenkirchen ist das Städtchen Murnau am Staffelsee zu erreichen. Zum einen sollte unbedingt das sogenannte „Russenhaus“, einst im Besitz von Gabriele Münter, besucht werden und zum anderen ist das Schloßmuseum Murnau mit seinem Bestand an Arbeiten von Gabriele Münter und Wassily Kandinsky sehenswert. Der Name „Russenhaus“ geht auf die künstlerisch fruchtbaren Jahre zwischen 1909 und 1914 zurück als die Münter und Kandinsky dort zusammen lebten und arbeiteten und auch das befreundete russische Malerpaar Werefkin und Jawlensky im „Russenhaus“ verkehrte. Das kleine Haus, zum Teil von Kandinsky künstlerisch ausgestaltet, wurde vor einiger Zeit vorbildlich restauriert. Während Kandinsky bei Kriegsbeginn im August 1914 als feindlicher Ausländer Deutschland verlassen mußte und wieder nach Russland ging, verbrachte Gabriele Münter die Jahre des 1. Weltkrieges in wechselnden Orten Skandinaviens. Erst ab 1931 lebte sie wieder in Murnau, wo sie auch 1962 starb.
Die Werke des „Blauen Reiter“ – der ja im engeren Sinne keine Künstlergemeinschaft, sondern eine von Wassily Kandinsky und Franz Marc geleitete Redaktion für einen Almanach gleichen Namens mit Texten und Bildmaterial zur „Synthese der verschiedenen Künste, der Malerei, der Musik, der Dichtung, des Theaters [unter Überwindung] des materialistischen und positivistischen Denkens“ war, stehen im Zentrum der Kunstpräsentation des Schloßmuseums Murnau. Von der Münter zeigt dieses Haus den „größten öffentlich ausgestellten Bestand an Gemälden, Zeichnungen und Grafiken“. Bemerkenswert auch die Belege Münters von Hinterglasmalereien, die der Künstlerin in einer reduzierten, flächigen Bildgestaltung in „ihren Vorstellungen von Ursprünglichkeit und unmittelbarer Bildsprache entgegenkamen“.
 
 
 
Franz Marc Museum in Kochel
 
Als jüngstes Museum in diesem Landschaftsraum soll noch auf das Franz Marc Museum in Kochel am See, 2008 eröffnet, verwiesen werden. Einst war im kleinen Wohnhaus von Marc bereits ein recht bescheidenes Museum untergebracht – räumlich unzureichend. Mit dem privat von einer Stiftung finanzierten Neubau – ohne öffentliche Gelder - wird endlich der Bedeutung des 1916 in Frankreich gefallenen Künstlers des Blauen Reiters gerecht. Es ist ein feines, schmuckes Museum entstanden, in dem in ständig wechselnden Ausstellungen der Eigenbestand an Werken von Marc gezeigt wird, ergänzt von Arbeiten des deutschen Expressionismus, die zum Bestand des Museums gehören. Die Werke haben viel „Luft zum Atmen“ und werden großzügig auf der Wandfläche gehängt, korrespondieren aber trotzdem noch miteinander. Gegenwärtig – noch bis Mitte August - wird unter dem Titel „Katzen“ eine Schau gezeigt, die auf Marcs Bezug zu diesem „ mysteriösen und kindlich anschmiegsamen Tier“ verweist. Das Hauptwerk zeigt ein „Mädchen mit Katze“ (von 1912). Es ist eine seiner ganz seltenen Menschendarstellungen und zeigt die Frau des Malers, Maria, als Madonna und das Kätzchen in ihrem Schoß als christlichen Retter – letztlich der pointierte Ausdruck der Idee von „der Erlösung aus den irdischen Verstrickungen und das Streben nach der Reinheit der Tiere in der Natur.“
 
Ab 23. September 2012 wird die Ausstellung „Else Lasker-Schüler / Gestirne und Orient / Die Künstlerin im Kreis des ‚Blauen Reiter´“ gezeigt. Auf eine Besonderheit sei noch verwiesen. Der Museums-Neubau verfügt über ein nach Süden ausgerichtetes Panoramafenster, das einen fantastischen Blick auf die Alpengipfel erlaubt.
 
 

Foto: Jürgen Koller