Im Land der schwarzen Pharaonen (2)

Eine Reise durch den Sudan: Naga - Bayuda - Jebel Barkal- Nuri

von Johannes Vesper

Jebel Barkal Sonnensäulen - Foto © Johannes Vesper
Im Land der
schwarzen Pharaonen
 
Naga - Bayuda - Jebel Barkal- Nuri
 
9000 Jahre Siedlungsgeschichte am Nil -
Unterwegs in Nubien (Sudan)
 
Von Johannes Vesper

Durch die Wüste
 
Auf der Fahrt durch die Sandsteppe nach Musawwarat bleibt ein Wagen trotz Vierradantrieb im tiefen Sand stecken und wird mit Muskelkraft wieder flott gemacht. Der Apedemak-Tempel in Musawwarat aus dem 3. Jh. v. Chr. wurde von Hinkel (s.o.) bzw. den Archäologen der Humboldt-Universität in der jetzigen Gestalt rekonstruiert und wieder aufgebaut. Auf der hinteren Front und im Inneren sind Elefanten dargestellt, die von Gefangenen geführt werden. Ob in der Antike hier Elefanten gehalten wurden?
Die große Anlage von Musawwarat ist ein Komplex zahlreicher Gebäude und Durchgänge. Die Funktion der Anlage bleibt rätselhaft. Heiligtum für Apedemak? Medizinisches Zentrum vergleichbar mit Epidaurus in Griechenland? Das Alter der Anlage ist auch mit moderner Radiokohlenstoffdatierung nicht exakt zu bestimmen. Auffällig in Musawwarat ist die Zahl teilweise bereits antiker Graffiti. Die Graffiti-Kunst heute in den Großstädten ist kein modernes Phänomen. Auch die Archäologen des 19. Jahrhunderts hinterließen solche am Ort ihrer Taten. Auf einer Wand in der Anlage kann anhand der Archäologen-Graffiti die gesamte Ausgrabungsgeschichte des Ortes abgelesen werden. Natürlich war Fürst Pückler-Muskau auch hier.

Pückler-Graffito - Foto © Johannes Vesper
 
Auf der Fahrt durch die Bayuda-Wüste verstopft bei zunehmendem Sandsturm der Dieselfilter des Geländewagens. Amir, der erfahrene Fahrer, ersetzt ihn in Kürze. Zwanzig Kilometer vor Merowe tauchen die Ruinen des christlichen Klosters Ghazali in der Steppe auf, ein Kloster des Heiligen Antonius, dessen Jünger in die Wüste zogen um Gott näher zu sein. Es wurde bei fehlendem Nachwuchs bereits im 11. Jh. n. Chr. verlassen. Mächtige Mauern und gepflasterte Böden lassen die Lebensumstände der Mönche vor Zeiten in der Phantasie wiedererstehen. Vorbei an Palmenwäldern und Gemüsefeldern künden riesige Hochspannungsleitungen und Bewässerungskanäle von der Nähe des Merowe-Nil-Staudamms am 4. Katarakt (fertiggestellt 2009), mit dessen Hilfe der im Sudan hergestellte elektrische Strom verdoppelt wird. Über der von Chinesen erbauten Nilbrücke ruht der mächtige Tafelberg Jebel Barkal mit seiner heiligen Felsspitze, die den alten Völkern als steingewordene heilige Uräusschlange (heilige Kobra) erschien. Im Hotel gibt es den sudanesischen Willkommensgruß mit rotem Hibiskus-Tee oder Gongoles-Saft und gesalzenen Erdnüssen bzw. gerösteten Maiskernen.
 
Jebel Barkal - El-Kurru - Nuri
 
Der weithin sichtbare, gewaltige Sandsteinblock des Jebel Barkal galt in der Antike als Sitz des Gottes Amun und als der Thron beider Länder Ägyptens und Nubiens. Unter dem Berg in Richtung Nil kann man aus stimmungsvollen Ruinen die Größe des hier im um 1500 vor Chr. von dem ägyptischen König Thutmosis III. angelegten, von Taharqa später restaurierten und erweiterten riesigen Amun-Tempels erahnen. Hier ist das Zentrum des Reiches Kusch, seine Hauptstadt Napata, die ebenfalls nach der ägyptischen Eroberung von Thutmosis II. gegründet wurde. Die Ruinen von Widderallee und Säulenhallen des Tempels zeugen von der ehemaligen Pracht des Gebäudekomplexes. Am Abend wirft der Jebel Barkal seine bedeutenden, schwarzen Schatten auf die Tempelanlage. Welch Ausdruck des damaligen Zeitgeistes.


Jebel Barkal - Foto © Johannes Vesper

Unter der phallischen Felsnadel des Jebel Barkal wurde der Tempel der Göttin Muth, das ist die Braut des Gottes Amun, als Höhle in den Fels gehauen, der Eingang flankiert von den Sonnensäulen des Schutzgottes Bes von Mutter und Kind: ein frühes Bauwerk des Symbolismus.
Auf der anderen Seite des Jebel Barkal stehen unweit des zeitgenössischen Friedhofs fünf Pyramiden, wohl die besterhaltenen aus der Zeit des Napatischen Reiches. Seit ca. 2500 Jahren wird hier beerdigt. Ihr ganzes Leben haben die alten Nubier und Ägypter anscheinend vor allem darauf verwandt, über die sehr lange Zeit nach dem Tode nachzudenken.  
 
Welchen Zeitgeist vermittelt eigentlich unsere heutige Architektur New Yorks, Frankfurts oder Dubais? Was davon wohl der Nachwelt erhalten? Die Gebäude der Banken und Versicherungen, die den aktuellen Zeitgeist widerspiegeln, werden nach ihrer Abschreibung über 50 Jahre ersetzt werden müssen. Die Bau-Materialien werden dem Zahn der Zeit vermutlich nicht über 3000 Jahre standhalten.
 
Fünfzehn Kilometer nilabwärts in El-Kurru wurde bereits im 9. Jh. v. Chr. eine Nekropole angelegt. Von

Friedhof am Jebel Barkal - Foto © Johannes Vesper
den ersten Pyramiden ist keine mehr sichtbar. Aber die Grabkammer sowohl von Tanwetamani (gestorben ca. 653 v. Chr.) als auch die seiner Mutter Qualhata weisen wunderbare Wandmalereien auf mit Begräbnisszenen und einem in seiner Frische erstaunlichen Sternengewölbe.
Im nahe gelegenen Dorf fallen die charakteristischen nubischen Wohnhäuser mit dem aufwendigen, buntem Eingangstor des ummauerten Hausbezirks auf, der dank der freundlichen jungen Sudanesinnen auch eingesehen werden kann. Die Mauern werden entweder mit aus Lehmziegeln gemauert oder aus aufeinander gelegten Lehmwülsten gebaut.
Auf dem Rückweg nach Karima erinnern versteinerte Baumstämme daran, daß die Wüstenzone des Sahels nicht immer Wüste war. Erst seit der Zeitenwende kam es zu zunehmender Versteppung und Ausbreitung der Wüstenlandschaft.
In Karima spielen sich lebhafte Marktszenen ab, am Nilufer wird sich gewaschen und rasiert. Einige Jungen haben Holz mit dem Boot aus dem Nil gefischt und laden es aus. Ein Schaf wird von 3 Männern auf dem Eselskarren zum Schlachter gefahren. Es scheint sein Schicksal zu ahnen. Etwas entfernt liegen zwei rostige Schiffe auf dem Ufer und erinnern an die Zeit der Nil-Schifffahrt zwischen Dongola und Karima, die aber vor ca. 20 Jahren wegen fehlender Rentabilität eingestellt worden ist. Auf dem stillgelegten Bahnhof von Karima breiten sich Markstände aus.
An den Ufern des Nils einige Kilometer nilaufwärts sonnen sich am Ufer sich die Warane. Immer wieder weisen Rohrleitungen und Pumpen auf die intensive Landwirtschaft hin. Zwischen kleineren Nilinseln und Felsen im Wasser ist die Strömung stellenweise erheblich. Der Außenbordmotor dreht hoch, der Steuermann ist konzentriert und der Motor hält durch.


Boote am Nilufer - Foto © H. Tränka
 
Die von Zeit und Wetter mitgenommenen Pyramiden von Nuri sind weithin sichtbar. Taharqa hat den königlichen Friedhof hierhin verlegt. Er war der mächtigste und bedeutendste Herrscher des Reiches Kusch. Als schwarzer Pharao der 25. Dynastie erstreckte sich sein Reich vom Nilzusammenfluß bis nach Phönizien, dem heutigen Libanon. Seine Pyramide ist die größte der 19 königlichen Pyramiden von Nuri. Sie wurde 1917 von dem amerikanischen Archäologen George Andrew Reisner ausgegraben, der dort ca. 100 Uschebti-Figuren fand, kleine Skulpturen von Personen, die dem Verstorbenen im Jenseits als Diener zur Seite stehen sollten.
 
George Andrew Reisner (1867-1942) amerikanischer Ägyptologe. Grabungen vor allem in Gizeh und Nubien.
 
Über dem Jebel-Barkal segeln elegant die Milane. Gelegentlich entpuppt sich ein plumperer schwarzer Vogel als „Tütengeier“ und weist auf das Plastiktüten-Müll-Problem Nordafrikas hin. Auf allen Feldern rings um menschliche Besiedlungen von Marokko bis zum Sudan fliegen bunte Plastiktüten, verfangen sich an Zäunen und in Sträuchern und erinnern dann gelegentlich an bunte Osterbäume. Das Problem ist aber keineswegs eine Idylle. Zahlreiche Steppen- und Wüstentiere bis in zu großen Dromedaren kommen an diesem Plastikfraß um. Vom Jebel Barkal aus bietet sich ein herrlicher Blick über den Nil mit Gemüsefeldern und Palmenwäldern auf den Uferstreifen beiderseits von jeweils maximal 1 km Breite, auf die Städte Karima und gegenüber Merowe. auf die gewaltigen Hochspannungsleitungen, auf die Reste der Tempelanlagen am Fuße des Berges, auf die Pyramiden und den aktuell noch genutzten Friedhof und auf die Wüstenberge in der Ferne, hinter denen die Sonne in prächtigen Farben versinkt. 


Der Nil - Foto © Johannes Vesper


Lesen Sie morgen den dritten und letzten Teil
von Johannes Vespers Reisebericht aus dem Sudan.
 Redaktion: Frank Becker