Erwin Grosche - Foto © Frank Becker 
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            Erwin Grosche 
               
            Die Verfluchung einer Einkommenssteuererklärung 
            Gewidmet Frau Lütkebaum in Zimmer 212  
            und meinem Steuerberater,  
            der nicht genannt werden darf 
             
             
             
             
            Ihr grüngrauen Giftzettel 
            ihr gestapeltes Wischiwaschi 
            ihr X für ein U 
            Ich hasse euch 
            hasse euch, hasse euch 
             
            Ihr niedrigen Formulierungen 
            ihr Herzbeschwerer 
            ihr Kleingedrucktes 
            ich verfluche euch 
            fluche euch, fluche euch 
            Kein Andenken möge euch gewiss sein 
            ihr möget vergessen werden 
            wie Beate Blumenfeld meine Liebe zu ihr 
            die sich so zaghaft offenbarte auf einer Speisekarte 
            Ihr habt genug Nächte geraubt 
            genug Schlaf zerstört 
            dem muss ein Ende sein 
            und darf nicht mein Ende sein 
            Möget ihr landen als Papierschwalben in einem Kindergarten 
            enden als Kopfbedeckungen von Anstreichern und kleinen Rittern 
            Last tragen als Ausgleich für Wackeltische 
            Schutz geben als Umhüllung für Salate und Porree 
            Wiedergeboren werden als Pappmaché 
            für Kasperlpuppen und Sepplmasken 
            Berater und Beamte verlasset eure Zimmer 
            und geht Land bestellen mit eurer ehrlichen Hände Arbeit 
            auf dass ihr euren Kindern wieder in die Augen schauen könnt 
            und eure Nachbarn euch wieder grüßen 
            Haltet ein! 
            Haltet ein! 
            Wörter wie: absetzen und herabsetzen 
            festsetzen und Pfändungen 
             
            Haltet ein! 
            Haltet ein! 
             
            Und schließt euch Wörtern an wie: 
            Sonne, Mond und Sterne 
            und anderen mit Herz und Verstand 
            auf dass es fruchte und abfärbe 
            Ich verfluche euch wie das Wetter im April 
            wie meine ewig defekte Waschmaschine 
            wie den Vollkornkuchen von Jutta Wollmann ohne Nüsse 
            wie meinen Simca, der noch immer grinsend auf dem Bürgersteig 
            vor sich hinrostet 
            wie meinen Freund Hartmut, von dem ich noch immer vierhundert 
            Mark bekomme und der mir dafür den Simca als Pfand 
            dagelassen hat 
            Habt ein Einsehen mit jemandem 
            dem das Auswechseln von Glühbirnen schon Schwierigkeiten  
            bereitet 
            und dem das Lösen von Kreuzworträtseln ein Kreuz ist 
            Also: 
             
                         Herbei, herbei 
            Heerscharen 
            unterstützt diesen Fluch 
            unter meinem Schirm und Herz 
            Herbei, herbei 
            grelle Schwüre ins dunkle Land geschickt 
            berstende Klänge ins Unendliche versickert 
            Herbei, herbei 
            die Luft ist voller Wunder 
            voller Wunder, voller Wunder 
             
             
            © Erwin Grosche – Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors   |