Granatäpfel vom Baum der Erkenntnis

Wiglaf Droste - "Kafkas Affe stampft den Blues"

von Frank Becker
Mit dem Schürhaken der Wahrheit

Wiglaf Droste muß durch das Tom Waits-Konzert, von dem er in der Titelgeschichte seiner neuen Text-Sammlung "Kafkas Affe stampft den Blues" beseelt berichtet, ein um ein gerüttelt Maß glücklicherer Mensch geworden sein - und beneidenswert. Sowas nimmt dir keiner. Droste zeigt sich wie in seinen bisherigen Veröffentlichungen, so auch in diesem Buch als ernst zu nehmende Instanz mit sicherem Geschmack. Das gibt dem taz-Kolumnisten denn auch das Recht, an anderer Stelle ohne Häme, ja beinahe etwas mitleidig, dennoch ohne Gnade den Schürhaken der Kritik auf das frisierte Haupt der 64-jährigen Nancy Sinatra niederfahren zu lassen.

Drostes Prosa ist pures Vergnügen. Das liest sich genußvoll weg und will kurz drauf wieder gelesen werden. Man fühlt sich gut aufgehoben bei einem Autor, der selbst in die Hand beißt, die ihn füttert, wenn sie dazu reizt - was ihn sympathisch macht. Auch daß er keiner von diesen notorischen Gutmenschen ist, die mit ihrer Glorie nerven, kann ihm auf die Haben-Seite der Bilanz geschrieben werden. Kaum mochte ich es glauben, als Wiglaf Droste, der bei Lesungen gerne derbe Wanderschuhe zu grob gewirkten Segeltuchhosen trägt, einmal im Gespräch durchblicken ließ, daß er und Dr. h.c. mult. Marcel Reich-Ranicki die einzigen Männer seien, die beim Übereinanderschlagen der Beine kein weißes Beinfleisch zeigten. Ein Ästhet. Und nun finde ich den Gedanken wieder aufgenommen in seinem fiktiven Nachruf auf den großen MRR: allein 20 der 102 Zeilen über das Leben des "Littärattur"- Schlächters befassen sich mit eben diesem Thema. Eine Obsession?

Aber es steht natürlich noch viel mehr in dem 239 Seiten starken Band, der in 64 wohldosierten Gaben mit Politikern und Filmen, Künstlern und solchen, die sich dafür halten, mit dem Ich-habe-durchaus-auch-Humor- Franz, dem Schnappi-Irrsinn, Kinky Fiedman und dem Herumhitlern ins satirische Gericht geht. Da kann man ihn verstehen, wenn er mitunter die Haßkappe aufsetzt und möchte auch so ein Hütchen haben.  Doch von Fall zu Fall packt einen fast das schiere Mitleid, dann nämlich, wenn Wiglaf Droste leidet. Das kommt nämlich vor, wenn sein Fußballverein, der BVB 09, gegen Unterhaching verliert oder er die Berliner Abendschau sehen muß. Nein, doch kein Mitleid, denn durch die Zeilen schwitzt die eigene Lust des Autors über seine Qual. 

 
Beispielbild
Zeichnung von Nikolaus Heidelbach

Wiglaf Droste
Kafkas Affe stampft den Blues

Neue Texte

© 2006 Edition Tiamat
    Critica Diabolis 136

Gebunden mit Schutzumschlag
239 Seiten
16,- €


Weitere Informationen unter:
www.edition-tiamat.de