Mit 60+ auf Bergwander-Tour Von Dorf Tirol zum Mutspitz und den Spronser Seen Als Mitt-Fünfziger hatte ich vor knapp einem Jahrzehnt den Hausberg der Meraner, den Mutspitz mit rund 2.300 Metern letztmalig „bezwungen“. Die echten Bergmenschen können da zwar nur lächeln, aber für einen ungeübten Flachland-Tiroler aus dem Bergischen Land war das doch schon eine beachtliche Leistung, zumal die letzten einhundert Höhenmeter am Mutspitz ein strapaziöses Geröll- und Felssteigen erfordern. Natürlich hat das alles noch nichts mit „Bergsteigen“ zu tun, aber es war allemal mehr als nur ein leichtes Aufbautraining für einen Freund der Berge. „Mit 66 Jahren fängt das Leben an…“, sang einst Udo Jürgens, und mir fielen dazu all die sinnigen Begriffe der Soziologen und Altersforscher ein – wie „Selbsterfahrung sammeln“, „neue Herausforderung nach dem Berufsleben“, „an die Grenzen des eigenen Leistungsvermögens gehen“, „sich neue Ziele setzen“ und, und, und... Mit einem befreundeten Ehepaar nahmen wir also gutes Quartier unterhalb der Seilbahn in Dorf Tirol in Südtirol oder Alto Adige, eine Provinz, die noch immer deutsch-österreichisch geprägt ist, obwohl sie bereits seit Ende des 1. Weltkrieges zu Italien gehört. Das „Buon giorno“ hat das „Grüß Gott“ auf den Bergwanderwegen noch immer nicht ersetzen können. Bergkameradschaft und der Lohn der Mühe Zwei Tages-Touren haben wir von Dorf Tirol aus unternommen. Der Lohn der Mühe war ein unbeschreiblicher Blick auf das sonnenüberflutete Meran und das gute Gefühl, sich selbst etwas bewiesen, zugleich den „inneren Schweinehund“ für diesmal überwunden zu haben. Neue Energien Nach einigen erholsamen Tagen bei reichlichem Essen und Trinken, mit Schwimmen im großen Außen-Pool des Hotels und Zeitungs-Studium über das übliche Sommertheater bundesdeutscher Politik hatten wir uns die Spronser Seen als nächstes zu erreichendes Bergwanderziel vorgenommen. Diese Seen, zwischen 2126 und 2589 Metern Meereshöhe gelegen, bilden die größte hochalpine Seengruppe Südtirols. Die Becken, in denen sich die Seen befinden, sind während der Eiszeit von den großen Gletschern ausgeschabt worden. Der Langsee (bei 2377 m), der größte der Seen, dient
Unsere zweite Bergwanderung begannen wir diesmal mit einer Seilbahn-Fahrt zum Hochmut. Mit flottem Bergwanderschritt – wir schafften stets so zwischen 300 bis 400 Höhenmeter pro Stunde – ging es über den Mutkopf zum „Jägersteig“. Dieser Steig, teilweise hart am Abgrund, führt oftmals durch Geröll und große Felsbrocken, zu den kleinen Seen Pfitscher Lacke und Kaser Lacke, stetig weiter bis in die Höhe von 2131 m zur Oberkaser Hütte. Nach einer kleinen Verschnaufpause stiegen wir weiter zum Grünsee (2338 m) und von da zum Langsee bei 2377 m. Wir hatten unser Tagesziel erreicht. Der See mit seinen grünlichen Wassern, den man in seiner Länge nicht überblicken kann, empfing uns recht unfreundlich – das Wetter hatte umgeschlagen. Waren wir bei strahlendem Sonnenschein und 25 Grad Wärme aufgebrochen, mußten wir am Ziel unserer Wanderung Pullover überziehen. Auch eine Kopfbedeckung war sehr hilfreich, denn die Temperatur war bei leichtem Schneefall auf „0“ Grad gefallen. Es zahlte sich also aus, wetterfeste und warme Kleidung im Rucksack mit hoch in die Berge geschleppt zu haben.
Ein freundlicher Techniker, den wir bei der Kontrolle elektronischer Gerätschaften antrafen, erklärte uns, daß der Wasserstand des Langsees automatisch vermessen und der Pegelstand per Radiosignal ins Tal zum Wasserwerk gesendet wird. Übrigens mußte er, wie er uns erzählte, bis zu seinem Arbeitsort genau so wie wir nach oben kraxeln – sein Chef würde aber ab und an mit dem teuren Hubschrauber fliegen. So ist nun mal die Arbeitswelt eingerichtet. Buttermilch oder "Weizen" als Kraftquelle? Den Abstieg unterbrachen wir beim Oberkaser. Ich wollte mich mit einem Nudel-Süppchen und einer Buttermilch stärken. Mein Bergkamerad R. brauchte nur ein großes „Weizen“, um seine Kräfte wieder zu aktivieren. Nach meinen Erfahrungen beim Abstieg vom Mutspitz schwante mir, daß der Rückweg - diesmal nahmen wir den Weg über die Bockerhütte - eine weit größere Herausforderung sein würde als der Aufstieg. Bis zum Tiroler Kreuz galt es über 1300 Höhenmeter hinab zu steigen. Aber es halfen alle kläglichen Gedanken nichts – es galt die Zähne zusammenzubeißen und gleichmäßigen, konzentrierten Schrittes diese Bergtour zu beenden. Meine Füße wund, Knöchel und Kniegelenke kaum noch spürend, waren wir am späten Nachmittag wieder in unserem Hotel. |