Wagner mal ganz anders

"Rheingold" - Ein Buch von Jochen Viehoff

von Robert Sernatini

„Rheingold“ -  Ein Buch von Jochen Viehoff

Wagner mal ganz anders

Mit seiner Chronik der Feiern zum 25-jährigen Bestehen des Tanztheaters Pina Bausch hat sich der Wuppertaler Fotograf Jochen Viehoff vor einigen Jahren einen Platz in der Walhalla der Fotografie gesichert.

Mit einem Werk, das den Blick diesmal auf einen anderen Aspekt deutscher Kultur lenkt, hat er seinen Rang aufs neue unterstrichen – ein gelungenes Unterfangen, das sich den Randerscheinungen eines der „deutschesten“ Gesellschaftsereignisse annimmt: Als „Zaungast“ der Wagner-Festspiele in Bayreuth hat Viehoff als Flaneur mit der Kamera das notiert, was die Gäste im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel nie sehen werden, während sie dem „Rheingold“ lauschen, das dem Buch seinen Titel gegeben hat. Er hat die Stille, Einsamkeit und Leere eingefangen, die sich wie eine Glocke über die Umgebung des Festspielhauses stülpt, in dem derweil Woglinde, Wellgunde und Flosshilde „Wallala! Wallaweialala! Heiajaheia! Heialaheia! Wallalalala leijahei!“ intonieren.

50 Farbfotografien leerer Räume, verlassener Plätze, wartender Menschen und geronnener Momente, sowie Zeugnisse allgegenwärtigen Wagner-Kitsches hat er ausgewählt und dem Libretto des „Rheingold“ gegenüber gestellt. Da sieht man, während Alberich auf das Rheingold stiert, ein ausgeräumtes Juwelier-Schaufenster, einen abgegessenen Fruchtsalat-Teller, als Fasolt Freia als Pfand nimmt, eine einsame Leserin im Foyer, derweil Wotan furchtbar des Fluches Kraft erfindet und ein Pissoir, zu dem Fricka sich vom Wassergezücht distanziert. Das ist neu, das ist witzig und das lässt sich nicht kopieren. Diese Seite Bayreuths ist Jochen Viehoffs Entdeckung.

Kongenial ist das einleitende humorvolle Essay des Wuppertaler Opernkritikers Stefan Schmöe, der köstlich das „Weltendrama im Parkett“ beschreibt, die Leiden während einer Vorstellung zwischen Kniekontakt mit dem umfangreichen Sitznachbarn, Hustenreiz und gesellschaftlichen Zwängen – ein Protokoll geistreicher Gedankengänge, ohne jedoch die Größe der Musik dabei aus den Augen, nein, Ohren zu verlieren. Das vereint Wagnerianer und solche, die es nicht sein mögen. Wer je in Bayreuth war (nicht unbedingt Wagners wegen, weia!) wird´s wissen: nicht einmal die Festspiele schaffen es, die Provinzialität der hübschen, aber doch ein wenig langweiligen bayerischen Mittelstadt am Roten Main zu überdecken. Und eigentlich stürzt der einmalige jährliche Aufmarsch der Pseudo-Prominenz nach seinem Abmarsch und abseits der Festspiele das Städtchen noch tiefer ins Schicksal der Beliebigkeit. Das hat Jochen Viehoff  festgehalten. 


„Rheingold“, Verlag HP Nacke, 50 Farbfotografien, 124 unpag. Seiten, Nachwort von Susanne Buckesfeld, 27x24 cm, Hardcover, 44 Euro.