Der wiedergefundene Schatz

Ewa Anklam publiziert einen verloren geglaubten Briefwechsel Friedrich II. von Preußen mit Gebhard Werner Graf von Schulenburg

von Friederike Hagemeyer

Gebhard Werner Graf von Schulenburg
mit Ehefrau Sophie Charlotte

Der wiedergefundene Schatz –
keine Lesung der übliche Art

Ein verloren geglaubter Briefwechsel Friedrichs II. von Preußen mit Gebhard Werner Graf von der Schulenburg
für die Geschichte gerettet

 


Friedrich der Große kann mit Fug und Recht als die am besten erforschte Persönlichkeit der preußischen Geschichte gelten. Die Quellen sind bekannt, dokumentiert, für die historische Forschung erschöpfend ausgewertet – Unbekanntes ist nicht mehr zu erwarten.
So die akzeptierte Forschungsmeinung bis zum Herbst des Jahres 2001, als eine veritable Schatzsuche ihr glückliches Ende fand.
Was war geschehen?

Als sich im Frühsommer 1944 die Kriegsfronten von Osten und Westen her dem Zentrum Deutschlands näherten, versteckte Ursula Gräfin von der Schulenburg-Wolfsburg wertvollen Familienbesitz auf Schloß Neumühlen bei Beetzendorf  in der Altmark, dem Stammsitz der Familie, vor den anrückenden Truppen. Zum Schatz gehörte neben Familiensilber und wertvollem Porzellan auch ein Briefwechsel zwischen dem „Würklich Geheimten Etats- und Kriegs-Ministre“ Gebhard Werner Graf von der Schulenburg (1722-1788) und seinem König, Friedrich II. von Preußen, vorwiegend aus der Zeit von 1776 bis 1777.

Bei Kriegsende lag Neumühlen auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone, an ein baldiges Heben des Schatzes war nicht mehr zu denken.
Fünfundvierzig Jahre später, beim Mauerfall im November 1989, lebte kein Familienmitglied mehr, das noch die genaue Lage des Verstecks kannte. Günzel Graf von der Schulenburg-Wolfsburg, ein Sohn Ursulas und direkter Nachkomme Gebhard Werners, begann dennoch zu suchen, obwohl er nur vage Kenntnisse von der Lage des Verstecks hatte. Zwölf Jahre nach der Wende, beim elften Versuch wurde er fündig. Er berichtet:

„Den ausschlaggebenden Hinweis bekam ich von meiner Schwester Ina, die mich daran erinnerte, daß neben dem Arbeitszimmer unseres Vaters, es war immer [von] „Nähe Zimmer Vater“ die Rede, ja auch das Ankleidezimmer gemeint sein könnte. Der geheime Hohlraum, wie sich hinterher  herausstellte, war aus dem Zimmer des Grafen senior hinter einem Waffenschrank über eine Nische beschickt worden. Gefunden wurde der Raum mit dem Zollstock, weil von der anderen Seite ein Waschraum in der Tiefe falsch dimensioniert erschien. Es fehlten nach zehn Minuten Meßarbeit ganze 60 Zentimeter. Nun wurde durch die Wand gebohrt und mit Hilfe eines Endoskops, oh Wunder, das Familiensilber entdeckt. ... Auf der Flucht im Mai 1945 ist über dieses Versteck eigentlich nie gesprochen worden, und wenn, dann mit dem Hinweis, daß es minensuchgerätfest sei. Das hat sich auch bewiesen, denn weder die Amerikaner, noch die Engländer, noch die Sowjets, noch die Kommunisten, noch Schulenburg selbst haben mit Hilfe eines Minensuchgerätes den Ort entdeckt, in dem für 57 Jahre Familienbesitz und die Briefe Friedrichs des Großen versteckt waren.“ (S. 10 – 11)

Die nun wiederentdeckten Briefe Gebhard Werners Grafen von der Schulenburg und Friedrichs des Großen waren unter Historikern bisher unbekannt; ihre Bedeutung ist daher kaum zu unterschätzen, bieten sie doch eine „Fundgrube an zum Teil neuen Informationen zur außenpolitischen Geschichte Preußens unter dem König .... Andererseits ermöglicht der Fund einen Blick hinter die Kulissen der Nachrichtenbeschaffung und damit auf informelle Informationsstränge, über welche adlige Diplomaten ... u.a. durch Verwandtschaft und Patronage gewöhnlich verfügten.“(S. 11- 12)

Aber in welchem Zustand befanden sich diese so wertvollen historischen Zeugnisse? Über Jahre hinweg war Wasser aus einem beschädigten Waschbecken in das vermauerte Versteck und dort ausgerechnet auf den Koffer mit den Briefen getropft. Stock- und Wasserflecken hatten einen Teil der Briefe unleserlich gemacht.

Große Anstrengungen  - nicht zuletzt finanzieller Art - waren nötig, um so viele Dokumente wie möglich zu retten. Daß das glückte, ist der Zusammenarbeit  vieler Beteiligter zu verdanken: der Familie der Grafen von der Schulenburg, die dies wertvolle Kulturgut der Herzog-August Bibliothek Wolfenbüttel und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, der Gesellschaft der Freunde der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel e.V. und der Curt Mast Jägermeister-Stiftung, die für die Finanzierung sorgten, den Restauratoren Heinrich Grau, Wolfenbüttel und Elzbieta Sobocinska, Bonn, denen es in ihrer aufopferungsvollen Rettungsaktion mit ihrem Können gelang, den ganz überwiegenden Teil des Schriftwechsels zu konservieren und damit wieder zum Sprechen zu bringen.
Und vor allem ist es das Verdienst der jungen Historikerin Ewa Anklam, daß in kurzer Zeit nicht nur eine Übersetzung einiger ausgewählter im französischen Original vorliegender Briefe zustande kam, sondern auch eine erste wissenschaftliche Auswertung und historische Einordnung vorgenommen wurde.

Dies alles galt es am 21. Juni 2007 in der Augusteerhalle der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel zu feiern; die Gesellschaft der Freunde der Bibliothek hatte dazu eingeladen und es wurde ein ausgesprochen gelungener Abend.
Besonders eindrücklich der Bericht von Günzel Graf von der Schulenburg über Verstecken und Wiederfinden der Briefe. Die Suche entbehrte nicht einiger skurriler Situationen und amüsanter Aspekte. Am Ende seines Vortrages überreichte er der überraschten Ewa Anklam als Dank für ihre engagierte Arbeit eine Silberschale aus dem wiedergefundenen Schatz – fürwahr eine noble und anrührende Geste.

Danach lasen zwei jüngere direkte Nachfahren der ursprünglichen Korrespondenten, Prinz Georg Friedrich von Preussen und Günther Graf von der Schulenburg aus Briefen ihrer Vorfahren. Es ging darin keineswegs immer nur um hohe Staatsgeschäfte, sondern z.B. auch um die Lieferung von Trüffeln vom schulenburgschen Besitz an den König, die dieser durchaus genossen hatte und seinem Diener dafür „affectueux remerciments“ aussprach.

Umrahmt wurde der Abend vom Staatsorchester Braunschweig, das  - selbstverständlich -  ein Flötenkonzert (3. Konzert für Flöte, Streicher und  Basso Continuo) Friedrichs des Großen vortrug.
Ein inhaltsreicher und harmonischer Abend zur Präsentation der Publikation von Ewa Anklam, der im Gedächtnis bleibt.



Ewa Anklam: "Adelslegitimation und Fürstendienst"

Gebhard Werner Graf von der Schulenburg-Wolfsburg  (1722 - 1788) -
Ein Briefwechsel mit Friedrich II. von Preußen. Wolfsburg 2007, 80 S. mit Illustrationen - (Wolfsburger Beiträge zur Geschichte und Kunstgeschichte 3)



© 2007 Friedrike Hagemeyer für Musenblätter