Die Bibel - ein Märchenbuch

Heinz-Werner Kubitza - "Der Jesuswahn"

von Ludwig Lenis
Der Jesuswahn
 
Er schlug zum Osterfest und besonders am Karfreitag wieder enorme Wellen, der Jesus-Wahn der christlichen Konfessionen. Man sieht sich Mal um Mal verblüfft von soviel kindlichem Glauben in den Köpfen erwachsener Menschen in einer – wie man annehmen sollte – aufgeklärten Welt. Nun wissen wir ja, daß seit Anbeginn der Zeit die Menschen sich Götzenbilder gegeben haben, um ihren Ängsten und ihrer Hilflosigkeit gegenüber dem Unglück und ihrer Unfähigkeit, die Naturgesetze zu begreifen, ein Ventil zu verschaffen. Auf Numinoses folgten Verkörperungen, schließlich scheinbar faßbare Personen, denen alle Verantwortung zugeschoben, von denen alle Hoffnung abgeleitet werden konnte. Propheten, Künder, schließlich ein Gott. Der eine. Denn das bunte Treiben in Naturreligionen und die Verliebtheit alter Hochkulturen in vielzählige Götterscharen, deren Zuständigkeiten aufgeteilt waren, schrie nach himmlischer Ordnung und nach einem Boss.
In der Christenheit ist das eine Größe, die man Gott nennt und zur Erklärung all der Widersprüchlichkeiten jener Heilslehre zur Vorsicht in drei Gewalten aufteilt, den Allmächtigen im Himmel, wo auch immer das ist, seinen Sohn, der als Mensch auf Erden wandelte, starb und zum nämlichen Himmel auffuhr und den Heiligen Geist, was auch immer das nun sein mag. Der Knaller dabei ist aber, daß alle drei in Wirklichkeit wieder nur einer sind, der eine. Die Aggregatzustände dieses Gottes der Christenheit dienen den Kirchen für allerlei fadenscheinige Erklärungen, Argumente und Ausreden – denn dem Ganzen einen Hauch von Glaubhaftigkeit abzugewinnen, vermag so recht niemand.

Ein Märchen also, dessen Niederschrift in einem umfangreichen Buch mit dem Titel „Bibel“ den Anspruch auf Wahrheit erhebt, ja mit dieser Niederschrift, in deren Namen viele Jahrhunderte lang mit Mord und Totschlag unter fremden Völkern, Andersgläubigen und vermeintlichen Ketzern gewütet wurde, den Anspruch auf sogar weltliche Gesetzeskraft erhebt (denken wir nur an den aktuellen Karfreitags-Streit). Mit diesem (nicht einmal gut geschriebenen) Märchenbuch, dessen Legenden und seinem Protagonisten Jesus aus Nazareth beschäftigt sich die Untersuchung „Der Jesus-Wahn“ des promovierten Theologen Heinz-Werner Kubitza. Im Grunde geben der Titel und der Zusatz „Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“ sowie der Subtitel „Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche Forschung“ bereits ausreichend Auskunft über das, was den Leser erwartet.
Doch Heinz-Werner Kubitza leistet weit mehr, als eine Religion zu demontieren oder zu desavouieren. Er legt Schritt für Schritt mit nicht widerlegbaren Fakten offen, wieso die Bibel das am meisten überschätzte Buch der Weltliteratur ist und Jesus von Nazareth die am meisten überschätzte Person der Weltgeschichte. Was er in der Tat demontiert, ist die Illusion, die Bibel sei ein ethisch wertvolles Buch, eines zudem, das die Wurzeln der eigenen Religion, das Judentum diffamiert. Zu viele Widersprüche kann man diesem aus nicht belegbaren Quellen zusammengeschusterten Religionswerk nachweisen, als daß es noch glaubhaft sein könnte. Zu grausam wird Jehova geschildert, der Gott der Juden des Alten Testaments, als daß man ihn noch für eine gütigen Gott halten könnte und zu viele Märchen tischt das Neue Testament auf, als daß man es für seriös halten könnte.

Das beginnt mit der angeblichen „unbefleckten Empfängnis“ Marias durch ein Wunder und die jungfräuliche Geburt und setzt sich in den immer wieder neu interpretierten Familienverhältnissen Marias und Josefs fort. Wundertaten, Lebensgeschichte, Hinrichtung, Grablegung und Wiederauferstehung des Predigers Jesus bergen – genau gelesen – ebenso viele Widersprüche, Legenden und freie Erfindungen. Nichts kann überhaupt belegt werden, alles gründet sich auf unsichere Quellen, Tatsachenbehauptungen und immer wieder neue Interpretationen, je nach Bedarf der Kirche. Das reicht vom Grotesken, wie unzählige Abhandlungen über Marias Jungfernhäutchen (meist von zölibatär lebenden Männern verfaßt, die nun wahrlich gar nichts zum Thema beizutragen haben) bis hin zu Bedarfs-Interpretationen je nach Erfordernis und der Hybris der Aufstellung von Dogmen. Da macht es sich die Kirche sehr einfach, stellt eine Behauptung auf und zack! ist das ab sofort die Wahrheit. So geschah es von Anfang an, durch die Geschichte der Konzile bis in die Neuzeit, während der Inquisition und der Landnahme durch „christliche“ Staaten über all in der europäischen und außereuropäischen Welt. Eins ist seit Beginn der Erfindung des christlichen Gottes gleich geblieben: Männer haben ihn sich ausgedacht, Männer sind seine Hohepriester, Männer wählen unter Männern einen weltlichen "Stellvertreter" dieses Mächtigen, Männer bestimmen, was die "Wahrheit" und wie die Bibel auszulegen ist, Männer entscheiden was "Sünde" ist und wer posthum als selig oder gar heilig zu gelten hat. Man muß über diese Männer - wir sprechen hier von der katholischen Variante - nicht mehr wissen als daß sie
geschlechtslos, also völlig weltfremd leben, und einen eigenen Staat unterhalten, in dem Frauen lediglich eine dienende Rolle haben. Straff organisiert wie eine Armee und im Besitze eigener Geheimdienste behauptet dieser Männerbund - und hier setzen sich die anderen christlichen Fraktionen nicht ab - im Besitz der allein selig machenden Wahrheit zu sein.

Es ist dies eine äußerst interessante, ja fesselnde und aufschlußreiche Lektüre, wie sie bisher in der offenen Auseinandersetzung mit dieser gegen jedes Neutralitätsgebot staatlich begünstigten Religion gefehlt hat. Sehr zu empfehlen – und sie hat im Gegensatz zur Bibel Hand und Fuß.
 
Heinz-Werner Kubitza – „Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen“
© 2011 Tectum Verlag, 382 Seiten, geb. Register, Quellen - ISBN 978-3-8288-2435-5
19,90 € - 26,- sFr
Weitere Informationen unter: www.jesuswahn.de und www.tectum-verlag.de