Kevinismus

...oder: Schantalle, essen kommen!

von Stefan Piontek
Schantalle, essen kommen!


Man kennt das aus Talkshows wie „Vera am Mittag“. Da sitzt dann so eine 17-jährige Jacqueline und fragt sich, ob wohl Silvio oder Ronny der Erzeuger ihres kleinen Justin-Pascal ist. Das wird todsicher mal ein Job für die Super-Nanny, vor allem aber haben wir hier ein Beispiel für ein ganz neues Phänomen: den Kevinismus.
„Als Kevinismus (auch: Chantallismus) bezeichnet man die krankhafte Unfähigkeit, menschlichem Nachwuchs menschliche Namen zu geben“, definiert die Internet-Satireseite de.uncyclopedia.org diese Erscheinung. Obwohl nicht ganz wissenschaftlich, wird der Begriff plötzlich in Expertenrunden und auf Fachtagungen bereits ganz selbstverständlich benutzt. Denn jeder kennt dieses Phänomen. Jeder, der schon einmal Geburtsanzeigen gesehen hat, wo eine Annemarie-Joy begrüßt wurde oder ein Jens Berlin Lukas.
 
Hier zeigen sich bereits die Mechanismen, nach denen Kevinismus funktioniert: Es sind stets Doppel- oder Dreifachnamen, von denen mindestens einer als Vorname hierzulande absolut unüblich sein und möglichst englisch, französisch oder gleich ganz exotisch klingen muß. Das Phänomen kann sich steigern bis zu Kendra Tiara Zoé, die ihren Namen ihr Leben lang wird buchstabieren müssen. Das gilt übrigens auch für Modifikationen bekannter Namen: Tauft man den Sohn Timm oder Paull, ist die Diagnose klar – Kevinismus. Wer nun hofft, die deutsche Bürokratie würde ausnahmsweise mal am richtigen Ort eingreifen, der irrt: Ein Mädchen wurde Pepsi Carola getauft – mit richterlichem Segen.
 
Ungekrönter König der Kevinisten ist der Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Seine Kinder strafte er mit den Namen Rocco Stark, Wilson Gonzalez, Jimi Blue und Cheyenne Savannah. Dazu jeweils noch dieser Nachname.
Am Beispiel Uwe Ochsenknecht lassen sich übrigens zwei Grundannahmen über den Kevinismus widerlegen. Erstens heißt es oft, dieses Phänomen trete nur in bildungsfernen Schichten auf. Ochsenknecht aber hat das Gymnasium besucht. Zweitens werden meist die Mütter des Kevinismus bezichtigt. Doch Rocco Stark ist von einer anderen Mutter als die anderen drei. Offenbar trägt also der Vater das Kevinismus-Gen.
 
Immerhin: Bei der Namenänderungsbehörde, die entweder beim Standesamt, der Kreisverwaltung oder beim Ordnungsamt angesiedelt ist, kann man hierzulande seinen Vornamen ändern. Etwa, wenn man sich mit einem exotischen Namen nicht abfinden kann. Eine Cheyenne Savannah Ochsenknecht müßte die Beamten wohl nicht lange bitten.


© 2007 Stefan Piontek / Neue Osnabrücker Zeitung
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Neue OZ-Redaktion