Indianer, Originale und Weltreisende

Zum 170. Geburtstag und 100. Todestag von Karl May

von Johanna von Vogel und Frank Becker

© Karl May Verlag Bamberg
Karl May lebt!

(Red.) Er war Kolportageschriftsteller, Redakteur, Seminarist, Hochstapler, Dieb, Häftling - und wohl der meistgelesene deutsche Autor von Abenteuer- und Reiseromanen, die nicht nur von der Jugend verschlungen wurden und werden.
Vor wenigen Wochen, am 25. Februar, wurde der 170. Geburtstag Karl Mays, der am 25.2.1842 als fünftes von vierzehn Kindern einer armen Leineweberfamilie geboren worden war, eher unbemerkt von der Öffentlichkeit gefeiert. Uns hat er mit seinen Geschichten und Abenteuer-Romanen durch die Jahre unserer Kindheit und Jugend begleitet. Wir haben den Wilden Westen, den Sudan, die Kordilleren und den Rio de la Plata durch ihn kennengelernt. Nach Ostafrika  und Serbien, nach Kurdistan und China, ins Land der Skipetaren und nach Arabien, in französische Schlösser und zu russischen Kosaken hat er uns mitgenommen. Durch die Wüste und über Meere ging die Reise der Phantasie, bei der uns edle Rothäute, kernige Helden, finstere Schurken, mutige Reisende und kauzige Originale begegneten. Heute vor 100 Jahren, am 30.3.1912 starb Karl May, 70-jährig und vom Leben enttäuscht. Sein Werk und sein Mythos aber leben fort.

Johanna von Vogel (Agentur Mumme + Ziegfeld) schrieb 2007:

Karl May ist mit über 100.000.000 verkauften Büchern der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache. Seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt. Bei den am häufigsten im Internet und auf Bestsellerlisten genannten deutschen Autoren belegt Karl May Rang 3*. Der Autor ist bei 94 % der deutschen Bevölkerung bekannt – und schlägt damit Franz Kafka um Längen, der nur 77 % der Befragten ein Begriff ist**.  Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2005 kennen 89 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 16 Jahren Winnetou – der damit den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder hinter sich ließ, den nur 81% der Befragten kannten***. Karl May war nach Goethe der zweitplatzierte Schriftsteller in der Umfrage des ZDF „Unsere Besten“ im Jahr 2003 (Anm.d.Red.: eine eher zweifelhafte Umfrage).

Daß der Erfolg Karl Mays bis heute ungebrochen bleibt, ist wohl in erster Linie dem Karl-May-Verlag zu verdanken. Dessen Mitgründer Dr. Euchar Albrecht Schmid wurde von Karl May persönlich darum gebeten, sein Verleger zu werden. Seit 1913 verwaltet die Familie Schmid, mittlerweile schon in dritter Generation, den literarischen Nachlaß des Autors und überrascht bis heute regelmäßig mit Neuerscheinungen von und über Karl May. So wurde unter dem Titel „An der Quelle des Löwen“ gerade eine Auswahl der spannendsten Jagdepisoden aus dem Mayschen Gesamtwerk


© Karl May Verlag Bamberg-Radebeul
veröffentlicht. Oder der zweite Band der „Traumwelten“, in denen die wichtigsten Maler und Zeichner vorgestellt werden, die Karl Mays Werke illustrierten. Und natürlich das „Buch der Liebe“, das den Schriftsteller von einer ganz neuen Seite zeigt: Das 1875/76 anonym im Dresdner Verlag Münchmeyer erschienene Buch darf wohl als das Erstlingswerk Mays gelten, auch wenn es Fremdtext enthält. Bei diesem handelt es sich pikanterweise um ein Aufklärungsbuch, das May mit einem literarischen Mantelteil rund um das Thema Liebe versehen hat, um die strenge Zensur zu umgehen. Was allerdings nicht funktionierte, da das Werk umgehend verboten wurde und erst jetzt wieder veröffentlicht worden ist.

Die Verwunderung vieler Leser, daß May auch Werke wie das „Buch der Liebe“ verfaßte, bringt Bernhard Schmid, Verleger des Karl-May-Verlags, manchmal zum Schmunzeln: „Viele denken noch immer, daß Karl May nur die klassischen Winnetou- und Abenteuerromane geschrieben hat. Wenn sie dann sehen, daß unser Verlag zur Zeit 87 May-Werke der verschiedensten Stilrichtungen und Thematiken im Programm hat, ist die Überraschung groß. Die Abenteuergeschichten sind eben nur


© Karl May Verlag Bamberg
der bekannteste Teil des facettenreichen Mayschen Werks.“

Genau so vielfältig wie seine Werke war auch das außergewöhnliche Leben des „Maysters“, wie seine Fans ihn ehrfurchtsvoll nennen. Auf seinen bemerkenswerten Aufstieg aus dem ärmlichen Elternhaus zum angesehenen Studenten am Lehrerseminar folgte die Verurteilung wegen angeblichen Diebstahls und Hochstapelei, anschließend der Durchbruch als Schriftsteller durch den fulminanten Erfolg seiner Abenteuergeschichten. Es schien, als hätten die Deutschen im ausgehenden 19. Jahrhundert auf jemanden wie May gewartet, der sie auf spannende Reisen an die exotischsten Orte dieser Welt entführte.

Trotz seines traumhaften Erfolgs führte May jedoch ein nicht immer einfaches Leben. Denn mit dem Erfolg kamen auch die Neider, die ihn mit den verschiedensten Anfeindungen verfolgten. Diese bezogen sich z.B. auf seine kriminelle Vergangenheit oder die Enthüllung, daß er die fernen Länder aus seinen Romanen selbst nie zu Gesicht bekommen hatte – wiewohl er das immer behauptet hatte. Die Vorwürfe setzten May so sehr zu, dass sie heute mit verantwortlich gemacht werden für sein plötzliches Ableben, wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag im März 1912. „Tragisch, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Leser Karl May im Laufe der Jahrhunderte durch seine Werke glücklich gemacht hat“, findet Bernhard Schmid."



Archiv

Wer anläßlich von Mays 170. Geburtstags mehr über die Höhen und Tiefen seines bewegten Lebens erfahren möchte, dem seien die „Karl-May-Chronik“ und die vielen anderen aktuellen Publikationen empfohlen, die im Karl-May-Verlag veröffentlicht wurden. Durch vielen bislang unbekannte Informationen und Originaldokumente sind Chronik, Lesebuch, Briefwechsel und das Kompendium 365 Tage Karl May" nicht nur unverzichtbare Quellen für jede weitergehende Karl May-Forschung, sondern gleichzeitig jeweils ein spannendes Stück Geschichte, das es dem Leser erlaubt, Mays unvergleichliches Leben in all seinen Irrungen und Widersprüchen wie einen Roman nachzuerleben.
Lesen Sie auch weitere Arikel zu Karl May und Sein Leben in den   Musenblättern.

* Studie der Zeitschrift „bücher“ 2005
** Allensbacher Institut 2005

*** GEWIS-Institut 2005

Informationen unter: www.karl-may.de


Weiterführende Literatur:

Hainer Plaul


unter Mitwirkung von Gerhard Klußmeier
Illustrierte Karl May Bibliographie
© 1988 Edition Leipzig






Hans Wollschläger

Karl May
rororo bildmonographoe rm 104
© 1965 Rowohlt, Reinbek







Bernhard Kosciuszko
(Hrsg.)

Das große Karl May Figurenlexikon
© Igel Verlag
© 2000 Schwarzkopf & Schwarzkopf






Jörg Kastner

Das Große Karl May Buch
Sein Leben- Seine Bücher - Seine Filme
© 1992 Bastei Lübbe Verlag


Redaktion: Frank Becker